Das Johannesevangelium ist sehr gnostisch geprägt, was wiederum für östliche Einflüsse spricht. Aus yogischer Sicht findet man vordergründig eine Zweiteilung: Schöpfungsgeschichte und das Erscheinen eines Avatars auf der Weltbühne. Beides weißt Parallelen auf.
Da ich bei christlichen Mystikern ähnliche Gedanken fand, versuche ich es kurz darzustellen.
Im Anfang war einzig Gott als reines Sein. Gegenstands- und eigenschaftslos. Und eigentlich nicht in Worte zu fassen. In diesem Sein entstand zu Beginn der Schöpfung eine Schwingung (das Wort). Diese Schwingung ist die erste Manifestation Gottes.1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alles, was ist, entstammt dieser Schwingung. Nichts, was existiert, hat eine andere Quelle.3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
Diese Schwingung ist der Ursprung aller Existenz und offenbart sich auch in (nicht-physikalischem) Licht; wie es beispielsweise auch Hildegard von Bingen sah.4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Durch die fortschreitende Schöpfung (von einer immateriellen Schöpfung bis hin zu grober Materie) nahm die "Reinheit" dieses urprünglichen Seins ab. Es entstand die Illusion einer eigenständig existierenden Schöpfung und unabhängig voneinander existierender Dinge und Wesen. Quasi die Leugnung oder das Nicht-Erkennen der Einheit "hinter" der Vielheit. In der yogischen Philosophie nennt man diese Zauberkraft Maya.5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.
Ende des Schöpfungsberichts.
Hier betritt ein Avatar die Bühne. Ein Mensch, der fest im reinen göttlichen Bewußtsein verankert ist, und der Illusion der Schöpfung nicht unterliegt. Dieses bewußtsein ist in jedem Menschen immanent, meist nur "verschüttet". Es ist Christus, der Gottessohn in uns. Das der Illusion der Schöpfung verhaftete Bewußtsein wäre analog der Menschensohn.9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
Da dieser Avatar wesensmäßig Ausdruck des absoluten (also nicht verhafteten) Bewußtseins (siehe Vers 1) ist, quasi identisch mit dem Göttlichen, war er seinem Wesen nach existent, bevor die Schöpfung begannt, und die Schöpfung entstammt diesem Göttlichen.10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht.
Die in der Maya verstrickten Menschen konnten ihn wegen ihrer Verstrickung nicht erkennen.
s.o.11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Diejenigen, die ihr Bewußtsein dem Göttlichen öffneten, befähigte er / leitete er an, sich ihrer göttlichen Natur wieder bewußt zu werden.12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben,
Die also nicht (mehr vollständig) dem illusorischen Einfluss der Maya unterliegen.13 die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
Hier wird auf den exoterischen und den mystischen aspekt aller Religion angespielt. Jesus Christus = Jesus als Christus, als Avatar.17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.
Das menschliche, der Maya verhaftete Bewußtsein kann das Absolute nicht erkennen. Nur das Göttliche (Eingeborene, Christus) in einem jeden Menschen, kann auf das Absolute verweisen, es erkennen.18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist,2 der hat ihn uns verkündigt.
Es liegt ausschließlich an uns.Zitat von Nachdenklich
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