Und da wäre sie wieder, die Neidgesellschaft ...

Daher noch einmal mein Hinweis, dass die aktuellen Proteste großteils gar nicht von den wirklich Armen (die es auch gibt, manche sogar unverschuldet) ausgehen, sondern von Menschen, die bloß nicht mehr so wohlhabend sind wie früher und sich daher im Lebensstandard einschränken müssen, ohne dass sie wirklich in Armut leben müssten. Interessant ist natürlich auch der fast allgegenwärtige Ruf nach "Umverteilung", wobei natürlich jeder meint, dass er zu den Profiteuren dieser Umverteilung gehören müsste. (Ich hatte in einem anderen Forum einmal Streit mit einem pensionierten Beamten, der Eigentümer einer Wohnung und eines Hauses war und trotzdem meinte, den "Reichen" müsse zu seinen Gunsten Geld weggenommen werden ...) Doch in Wahrheit müssten viele dieser Umverteilungs-Forderer zu den Verlierern einer Umverteilung gehören, vor allem, wenn man noch die Armut in anderen Ländern mitberücksichtigt.
Nun, ich habe heute ein wenig nachgelesen zu den Hintergründen dieser Krawalle und es scheint eben doch so zu sein, dass vornehmlich arbeitslose Jugendliche mehrheitlich an den Aktionen beteiligt waren. Auch las ich heute, dass die Jugendarbeitslosigkeit in diesem Bezirk seit langen erschreckend hoch sei. Ursache und Wirkung. Das natürlich auch sonstige Randalierer sich dazu gesellten und meinten eine riesige Schlacht zu veranstalten zeigt eigentlich, in welcher moralischen Situation Bevölkerungsteile des Landes sind.

Zum Thema Verteilung. Es erscheint mir doch eine grundlegende Wahrheit zu sein, dass es immer nur einen bestimmten Grundgehalt an Werten oder Dingen gibt. Wir haben auf der Erde nur das was da ist und können dem nichts hinzufügen, höchstens verändern und zu unseren Gunsten entwickeln - richtig? Es ist doch legitim, wenn diese Ressourcen allen Menschen in gleicher Weise zur Verfügung stehen. Das hat dann sehr wohl etwas mit Verteilung zu tun. Ich frage mich noch immer, welche Legimitation es für Reichtum gibt? Man kann nur Reicher werden, indem man andren Menschen ihren Anteil wegnimmt. Früher wurde dies durch so genannte Standesgesetze geregelt / Feudalismus, heute ist es der Kapitalismus.
Anderen Ortes schrieb ich zum Thema: Es geht um ein solidarisches Miteinander in einer Solidargemeinschaft. Das kann allerdings nur funktionieren wenn man zu der Erkenntnis gelangt ist, dass wir nichts mitnehmen können und Gott eventuell uns eines Tages fragen wird, was habt ihr mit MEINEM Eigentum gemacht.
Es bleibt meinem Gehirn noch immer unergründlich verschlossen, wie jemand sagen kann, dass ist mein Land, meine Eigentum und das beziehe ich sogar letztlich auf alle Staaten und ihrem angeblich Staatseigentum. Nun, schon Bonhoeffer erkannte, „wir tun so als wäre alles uns und doch gehört uns nur das nackte Leben“. Faktisch ist es doch so, man reißt sich etwas unter den Nagel, was einem eigentlich nicht gehört (z.B. Land) und tut sein Leben damit verbringen dieses Nichteigentum als eigen zu behalten. Sehr seltsam. Und natürlich, man muß dafür unendlich viel mehr für sich und seinen Besitz arbeiten. Genügsamkeit kennt man längst nicht mehr, sondern Status zählt. Und all das hat bedauerlicher Weise globale Folgen, denn andere Äffen diese Unsitten mehr denn je nach. Jeder braucht ein Auto, jeder braucht ein Haus und ein jeder will mehr davon. Letztlich wissen aber alle Volkswirtschaftler, wenn alle Menschen dieser Erde so leben würden wie wir, dann wäre es ganz schnell aus mit unserer Erde. Wir verbrauchen weit aus mehr als wir benötigen und das geht nur, weil wir Gewinner sind und andere die Verlierer.
Adam Shmith erklärte schon 1752 folgerichtig: Die Marktwirtschaft selbst hat als Triebfeder den Eigennutz und nicht das Solidarprinzip. Man kann sie sozial- oder rein kapitalorientiert nennen, faktisch ist sie immer das Gleiche.

Dass es immer mehr "Arme" gibt, liegt auch daran, dass die Ansprüche ans Leben immer mehr steigen. Eine beheizte Wohnung und genug zum Essen reicht vielen Menschen einfach nicht mehr. In einem anderen Forum hatte ich einmal Streit mit Mitdiskutanten, die allen Ernstes meinten, mindestens eine Urlaubsreise im Jahr gehöre zu den Grundbedürfnissen, die jedem Menschen zustehen und für die eben notfalls die Reichen aufzukommen hätten ... Ich erinnere mich auch noch an so manche Studienkollegen, die rauchten, tranken, ein Handy benützten und regelmäßig auf Partys und ins Kino gingen, aber über ihre schlechte finanzielle Situation jammerten und nach Umverteilung riefen ...
Der Begriff Armut ist sicher relativ. Meine Mutter, die in meinen Augen, sehr wohlhabend ist, spricht auch von Armut und je reicher sie wird, je seltsamer wird ihr Verhältnis zu Arm und Reich. Es sei ihr vergönnt.
Das der sog. Lebensstandart als Errungenschaft westlicher Zivilisation auch immer weiter steigt ist eine folgenschwere Entscheidung – zumindest aus meiner globalen Sichtweise. Doch auch hier wäre in meinen Augen das Solidarprinzip die Triebfeder für ein normales Maß. Es muß – zumindest in meinen Augen – niemand benzin fressende Riesenautos fahren, wenn der Nächste nicht einmal Geld für ein Fahrrad hat. Da stimmt etwas nicht! Wie kann es sein, dass eine fleißige Putzfrau lediglich 600,00 Euro (im Bestfall) verdient, ein Bankangestellter jedoch das Fünffache und ein Fabrikant das Tausendfache? Mahatma Gandhi erkannte einst schon, dass die Arbeit an den Latrinen eben nicht weniger wertvoll sei, sondern genau so wichtig wie die eines Verwalters oder gar Arztes. Denn, so fragte er, wo geht der Verwalter hin, wenn die Latrinen voll sind, wie soll ein Arzt Krankheiten heilen, wenn die Hygiene katastrophal ist? Und noch einen Punkt möchte ich anführen, den einst mein Prof. uns Studenten lehrte. Glaubt nicht, eure Intelligenz ist das verdienst von euch Studenten, nein, erhebt euch nicht über andere Menschen, sondern begreift, dass es eine Gabe Gottes ist, die euch verpflichtet dem nächsten genau damit zu diensten zu sein und denkt besonders dann daran, wenn für euch jemand die Straße vom Müll befreit, damit ihr unfallfrei zu eurem Tagewerk gehen könnt. Gäbe es die vielen anderen nicht, ihr würdet trotz aller Intelligenz vermüllen oder gar verhungern.

In meinen Augen ist dieses ganze System vom Grund her gesehen ein großes Übel und genau deshalb gibt es Ungerechtigkeit, deshalb gibt es Arm und Reich.