Vielleicht im Fernsehen, oder in einer Illustrierten, wo auch immer, darauf kommt es nicht an, sah ein Japaner bayrische Volklore. Das gefiel ihm auf Anhieb. Er suchte nach mehr Informationen. Kaufte Bücher, CD’s und mehr. Er begann sich zu verlieben in diese bayrische Weise. Er belegte Jodel- und Plattlertanzkurse. Kaufte sich Lederhosen und alles, von Schuh bis Hut und allem Zwischen drin nicht nur in einer Ausführung. Ja und? Was ist daran falsch? Nichts! Seine Liebe zur bayrischen Kultur, zu Bayern und zum Bayern erstakte und wurde schön und schöner. Im eigenen Land wurde er zum Exoten und Hit. Er war nicht mehr nur ein Japaner unter Japanern, sondern ein bayrischer Japaner. Ja und? Was ist daran falsch? Nichts! Denn er liebte ehrlich und offen und mit ganzer Seele und ganzer Kraft und allem Vermögen, das Bayrische und ehrliche Liebe sollte man nicht hinterfragen, sondern sie ausleben. Es gesellten sich japanische Liebesgenossen zu ihm und eines Tages wurde ein bayrischer Unternehmer in Japan auf sie aufmerksam und er fand das als ein riesen Gaudi. Er organisierte Tourneen für die japanisch bayrische Gruppe und in Deutschland und auch in Bayern hatte man ein wahnsinns Spaß daran. Das ist ein wahrlich lustiger und zünftiger kulturverbindender Austausch, zwischen Japan und Deutschland und speziell zwischen Japan und Bayern, sagten Bürgermeister und Trachtenvereinpressidenten. Super!
Bis ein unbedeutender Bayer ein wenig mehr Japanisches erfahren wollte. Dem bayrischen Japaner war gar nicht klar und zwar warum er Bayrisches so sehr liebt und zwar so sehr, dass er sich teilweise selber wunderte, sich bayrischer zu fühlen als so manch junger Münchner, welcher nur mit den Schultern zuckt, wenn er ihn nach bayrischer Kultur gefragt hat. Die Frage des fragenden Bayern, der mehr japanisches vom bayrischen Japaner wissen wollte und auch gerne wissen wollte warum er, der Japaner so in bayrische Kultur verliebt sei, war dem Japaner irgendwie fremd, verwirrend, ja fast lästig. Er antwortete viel, aber fühlte sich eher etwas hilflos und zwar auch deshalb, weil er ausgerechnet dies von einem Bayern gefragt wurde. Beide wurden sich, ohne dass sie das eigentlich wollten, unangenehmer. Der japanische Bayer ging dem fragenden Bayern aus dem Weg und empfahl auch seiner Gruppe sich nur den jubelnden und grölenden Bayern hinzugeben. Das schweigen wir aus, sagte er zu den Seinigen. Und hängte ein Schloss, ohne Schlüssel zwischen dem fragenden Bayern und seinem Selbst. Das wiederum verärgerte den fragenden Bauern, denn er verstand diese verschlossene innerjapanische Bayernliebe nicht. Der Zoff war vorausprogrammiert. Englische Touristen, welche diesen Zoff bemerkten mahnten zur Friedfertigkeit und das doch ein jeder Bayern lieben könnte wie er will und das auch in bayrischer Tracht und laut jodelnd. Aber die beiden Kontrahenten waren schon zu verhakelt. Es drohten Gläser und Krüge zu fliegen.
Dem fragenden Bayern störte zunächst das zupfen an seiner Lederhose, woran ein ca. 17 jähriges nicht gerade schlankes Mädchen zupfte. „Onkel Sep … warte …“ Sie bewegte ihn zurückzutreten und sich hinzusetzen, während der japanische Bayer ebenfalls irgendwo still im Getümmel unterging. Das junge Mädchen empfand der fragende Bayer später wie einen barocken Engel. Natürlich wusste er, dass sie alles andere als ein Engel war, aber sie erklärte ihm, dass er doch auch wissen müsse, dass auch die Japaner schwäre Traumata’s mit sich herumschleppen. Nagasaki, Hiroschima können nicht über Generationen hinweg weggesteckt werden, selbst wenn es besser wäre, wen das ginge. Der barock wirkende all zu menschliche Engel, forderte den fragenden Bayern auf, dem japanischen Bayern die Freude und Liebe nicht auszubremsen oder unangenehm zu hinterfragen. Das leuchtete dem fragenden Bayern ein und er sagte zu seinem barocken Mädchen-Engel, „Du hast mich geheilt …!“ Und er schwatzte weiter und ich weiß nicht zu wem … und ich denke er wusste es auch selbst nicht zu wem er sprach, dass es dann wohl das selbe wäre, als wenn er, als treuer Christ, plötzlich Jude sein wollte und das nur weil er und das ist wahr, nicht nur den Heiland liebe sondern auch Israel und die Juden.
Er besann sich und sprang auf, nahm den erstbesten Nachbar an die Hand und jodelte und tanzte mit ihm so bayrische es nur ging. Er war Nichteinmahl betrübt oder irgendwie angetan, dass ausgerechnet der japanische Bayer sein Nächster war. Er lächelte nur und dachte in sich selbst hinein, dass er hoffentlich sich nicht noch derart in den Japaner verliebt und irgendwann sich gedrängt fühlt in Japan japanisch singen und tanzen müssen. Aber es kam anders, denn es entwickelte sich tatsächlich und zwar nach dem bayrischen Rauch, eine Freundschaft zwischen dem fragenden Bayern und dem bayrischen Japaner. Sie lernten sich gegenseitig respektieren und auch die gegenseitigen Ungereimtheiten einander ertragen. Komisch bleibt es aber dennoch immer ein wenig, wenn Japaner in Lederhosen und Gämsbart gespickten Hut, wo auch immer auf der Welt in Erscheinung treten. Aber was solls, sie sind frei zu tun und zu lassen was ihnen beliebt, zumindest dem fragenden Bayern beschäftigt es nicht mehr in der Weise, dass er fragen müsste oder es als belästigend oder sogar verletzend betrachtet. Er lächelte nur noch, gerade so, als ob ein Engel ihm ins Ohr flüstert. „Lass sie nur …“
Lehit …/ Yitzhak
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