Schon für viele war der 23. Psalm ein guter Begleiter, obwohl er aus einem fernen Land stammt und aus einer anderen Zeit. Seine Sprache ist eigentlich nicht von heute, und seine Bilder sind aus einer anderen Welt. Merkwürdig, wie nah er uns trotzdem sein kann. Mancher hat ihn gesprochen, voll von Dank, als alles zu gelingen schien. Und nicht wenige haben ihn gebetet mitten in der Bedrängnis.

Ich saß am Bett einer schwerkranken Frau. Hörte sie mich noch? Sie lag nur da und stöhnte. Man hatte mir gesagt, sie habe oft starke Schmerzen. Ich hielt ihre Hand. Als ich anfing, den 23.Psalm zu sprechen, spürte ich deutlich den Druck ihrer Finger. Dort, wo es heißt: "Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang" überfiel mich der Gedanke: Das hättest du nicht sagen dürfen! Wenn jemand so in Schmerzen liegt, wo ist da noch Gutes? Wo ist da Barmherzigkeit? Aber in diesem Augenblick bewegten sich ihre Lippen, und sie flüsterte: "Gutes und Barmherzigkeit."
Da berührte auch mich auf geheimnisvolle Weise die Kraft dieses Psalms.

(aus "Behütet und getröstet" von Erich Bochinger)