Tja, das ist so eine Sache mit dem "Stolz"!
Und die Sache mit dem Stolz läßt mich seit gestern morgen (Bastys Posting) irgendwie nicht mehr los.
Was ist Stolz? Ist Stolz etwas Gutes, oder etwas Böses? Kann Stolz "manchmal" gut, manchmal böse sein?
Wie ist das mit der Sonderform "Nationalstolz"? Für jede Nation dieser Erde eine Selbstverständlichkeit, für Deutsche eine unverzeihliche Todsünde?
Nch Wikipedia ist Stolz vom Wortsinn her eindeutig negativ vorbelegt. Folgt man dieser Definition, dann ist das deutsche Wort "stolz" eine Ableitung des lateinischen stultitia = Torheit. Bleibt man hier stehen, dann ist Stolz nichts anderes wie Dummheit.
Auch in der heiligen Schrift ist, wenn das Wort "Stolz" denn richtig übersetzt wurde, Stolz durchgängig negativ belegt.
Sprüche 16 Vers 18
Wer zugrund gehen soll, der wird zuvor stolz; und stolzer Mut kommt vor dem Fall.
Jesaja 13 Vers 11
....und will des Hochmuts der Stolzen ein Ende machen und die Hoffart der Gewaltigen demütigen,
Auffallend ist, daß in der Schrift Stolz dem Hochmut gleichgesetzt wird, und der guten EIgenschaft Demut gegenübergestellt wird.
1. Petrus 5 Vers 5
... denn Gott widerstehet den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
Matthäus 11 Vers 29 (Jesu Worte:)
... und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Micha 6 Vers 8
Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
Die Charaktereigenschaft „Stolz“ ist in der katholischen Theologie die Ursache für die Hauptsünde Superbia, sein zu wollen wie Gott, sich zu überheben.
Vielleicht wäre die Frage "Stolz im Blickwinkel der heiligen Schrift" etwas für unsere Forums- Schriftgelehrten, die zur Zeit allerdings damit beschäftigt sind, den Matthäus auseinanderzunehmen (und wieder zusammenzusetzen). Auf weitere Aufklärung werden wir wohl vorläufig verzichten müssen.
Es gibt allerdings auch Stimmen, die "Stolz" positiver belegen. In der Psychologie ist Stolz eine angeborene natürliche Emotion, genauso wie Ärger, Überraschung, Freude, Traurigkeit oder Ekel. Demnach ist Stolz also erst einmal etwas natürliches was in sich Gott gegeben und nicht schlecht ist.
Adolph Freiherr von Knigge drückte es so aus:
Ich möchte gern, daß man Stolz als eine edle Eigenschaft der Seele ansähe; als ein Bewusstsein wahrer innerer Erhabenheit und Würde; als ein Gefühl der Unfähigkeit, niederträchtig zu handeln.“
Ein akzeptieren dessen was ist, ein Wissen darum, richtig gehandelt zu haben. Ein auch vor Gott gesunder Stolz, der sich nicht über andere erhebt, aber aus dem in Demut Kraft für weiteres positives Handeln entsteht. Ein liebevolles Annehmen der Aufgabe und Situation, in die man von Gott gestellt wurde. Ein biblisches Beispiel positiven Stolzes in diesem Sinne findet sich in Josua 14, Vers 6 folgende. Die Rede Kalebs zu Josua:
... Du weißest, was der Herr zu Mose, dem Mann Gottes, sagte von meinet und deinetwegen in Kades-Barnea.
7 Ich war vierzig Jahre alt, da mich Mose, der Knecht des Herrn, aussandte von Kades-Barnea, das Land zu verkundschaften, und ich ihm wieder sagte nach meinem Gewissen.
8 Aber meine Brüder, die mit mir hinaufgegangen waren, machten dem Volk das Herz verzagt; ich aber folgte dem Herrn, meinem Gott, treulich.
9 Da schwur Mose desselben Tages und sprach: Das Land, darauf du mit deinem Fuß getreten hast, soll dein und deiner Kinder Erbteil sein ewiglich, darum daß du dem Herrn, meinem Gott, treulich gefolget hast.
10 Und nun siehe, der Herr hat mich leben lassen, wie er geredet hat. Es sind nun fünfundvierzig Jahre, daß der Herr solches zu Moses sagte, die Israel in der Wüste gewandelt hat. Und nun siehe, ich bin heute fünfundachtzig Jahre alt
11 und bin noch heutigestages so stark, als ich war des Tages, da mich Mose aussandte; wie meine Kraft war dazumal, also ist sie auch jetzt, zu streiten und aus- und einzugehen.
12 So gib mir nun dies Gebirge, davon der Herr geredet hat an jenem Tage; denn du hast es gehöret am selben Tage. Denn es wohnen die Enakim droben, und sind große und feste Städte: ob der Herr mit mir sein wollte, daß ich sie vertriebe, wie der Herr geredet hat.
Ich weiß nicht warum, aber diese biblische Gestalt des Kaleb hat mich, obwohl er immer nur in der zweiten Reihe stand, mein ganzes Leben sehr beeinflusst. Gerade die oben stehende Rede. Gott gebe mir die Gnade, 85 Jahre alt zu werden und dann ebenfalls auf lange Jahre der treuen Nachfolge unseres Herrn zurückblicken zu können.
Nach meinem persönlichen Verständnis, und nur so kann ich das Wort "Stolz" benutzen, ist Stolz das natürliche positive Gefühl, daß mich beherrscht, wenn ich zufrieden und bejahend auf Geschehnisse oder Handlungen von mir (oder von einer Gruppe, der ich angehöre) zurückblicken kann. Es liegt an mir, daraus Positives zu machen, hierin die Aufmunterung zu sehen, weiterhin Gutes und noch Besseres zu tuen, oder in Überheblichkeit und Hochmut zu verfallen. Gerade an der Rede Kalebs wird deutlich, das Stolz mit Demut gepaart sein kann. Denn alle Leistungen seines Lebens reflektiert er auf das Geheiss und die Verheissungen Gottes, die über seinem Leben standen.
Mit diesem persönlichen Verständnis von dem Begriff "Stolz" fällt es mir schwer, pauschal auf mein Vaterland "stolz" zu sein. Es gibt viel in der Geschichte Deutschlands, auf das ich stolz sein kann, und vieles, angefangen von Kreuzzügen, Eroberungsfeldzügen, Hexenverbrennungen bis hin zum Holocaust, auf das ich nicht stolz sein kann.
Aber ich liebe mein Vaterland. Ich liebe es, mit allen Schwächen und Stärken, Erfolgen und Misserfolgen, Fehlern und Vorzügen, Irrungen und Wirrungen. Liebe ist nicht abhängig von der Vollkommenheit des geliebten Objektes, sondern ist einfach da. Liebe beginnt in dem Akzeptieren des Gegenübers, der Aufgabe, des Platzes, wo man hingestellt wurde.
Und, wie Popcorn es so schön ausführt, es ist Gottes Wille und Aufgabe an uns, Deutsche zu sein, uns in diese Gesellschaft einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und unseren Teil zu positiver Entwicklung beizutragen.
Wie Du siehst, Basty, ist es den "politische korrekten Gutmenschen" tatsächlich gelungen, mir pauschalen Nationalstolz zu nehmen. Aber nicht deswegen, weil ich nichts fände, auf das ich stolz sein könnte, sondern weil ich die Sache differenzierter sehe.
Aber das, was man liebt, nimmt man so, wie es ist. Deswegen habe ich auch zu der deutschen Geschichte "Ja" gesagt. Nicht, daß ich etwa 1939 bis 1945 auch im entferntesten für gut heißen würde, aber ich werde damit leben. Weil ich damit leben muß. Und "Lernen aus der Vergangenheit" bedeutet für mich nicht nur ein oberflächliches "Nie mehr wieder!" (im Hinblick auf den Holocaust), sondern ein Untersuchen der Gründe und damaligen Entwicklungen. Wehret den Anfängen! Dort liegt das vielbeschworene "aus der Vergangenheit lernen!". Nicht im Deutschenhass und der Selbstaufgabe etlicher Kreise in unserer Gesellschaft, sondern in der Übernahme von Verantwortung.
Ich denke nicht dann an den Holocaust, wenn mich jemand daran erinnert, daß ich Deutscher bin, sondern dann, wenn ich in meinem Umfeld Türkenwitze höre. Dann denke ich an "Jud süß".
Mir sträuben sich die Haare, wenn ich viele Menschen in einem unheimlichen Herdentrieb in die gleiche Richtung laufen sehe. Dann denke ich an "hochgewachsene Blonde" im Stechschritt genauso, wie an rote Fahnen schwingende Gröler auf der anderen Seite. Die Richtung, in die Viele laufen, ist meist die falsche. Auch die Richtung, die in unserer Gesellschaft viele gelaufen sind. In die Richtung der Selbstverachtung und Gesellschaftsverweigerung, der Ablehnung von allem, was "deutsch" sein könnte in der Hoffnung, dort dem Schreckgespenst des Holocaustes zu entkommen.
Hier beginnt bei mir Aufarbeitung der Vergangenheit. Und nicht in der Aufgabe und Verurteilung dessen, wofür Gott mir Mitverantwortung übertragen hat, für unsere Gesellschaft und unser Land.
Ein (mal wieder) nachdenklicher
Rudi
Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist.
Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir.
(Psalm 51,12f)
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