13.Juli 2007
Schabbat-Lesung und Kommentar:
„Mattot - Massej / Stämme – Wanderungen“
4. Mose 30,2 bis 36,13; Jeremia 1,1-2,3

Kommentar: Der Wochenabschnitt ist mit seinen sieben Kapiteln ein zweifacher und schließt die Lesung des Buches Bamidbar (oder Numeri) ab. Im Kapitel 32 lesen wir, wie das Volk Israel östlich des Jordans sich auf die Einnahme des Landes vorbereitet. Zwei Stämme, Ruben und Gad, bitten von Mose, man möge ihnen das viehreiche Land, in dem sie sich zur Zeit aufhalten, doch als Erbteil zuerkennen.
Mose reagiert zornig: Es würde „das Herz des Volkes vom Landeinzug abhalten“. Es entmutigt und andere Stämme könnten sich dem anschließen. Er zieht eine Parallele zu der Situation, als die zehn Kundschafter vor den Riesen und den befestigten Städten gewarnt hatten, und nur Kaleb und Josua an der Einnahme des Landes festhalten wollten. Das Ergebnis dieses Zauderns war die vierzigjährige Wüstenzeit gewesen – ein Gerichtshandeln Gottes, denn die ganze Generation der einst aus Ägypten Befreiten starb in der Wüste. Sollte sich das etwa wiederholen, während Teile des Volkes ein sicheres, bequemes Leben auf satter Weide vorziehen? Die Stammesvertreter beschwichtigten, indem sie zusagten, lediglich Frauen, Kinder und das Vieh in sicheren Städten zurücklassen zu wollen und mit allen waffenfähigen Männern über den Jordan zu gehen, bis das ganze Land eingenommen wäre.

„Der Midrasch Rabba sagt: Drei göttliche Gaben sind der Welt gegeben: Weisheit, Heldenmut und Reichtum. Stammen diese Gaben aber nicht von Gott, dann werden sie keinen Bestand haben.“ Ruben und Gad vollzogen mit Blick auf ihr Vermögen innerlich eine Trennung von ihren Brüdern, die sich später (vgl. 1. Chronik 5,25) auch äußerlich vollzog. Wie ist heute die Haltung europäischer und amerikanischer Juden zu bewerten? Ist es nicht oft ihr materieller Reichtum, der sie davon abhält, einzuwandern (Alija zu machen)? „Denen, die nach Israel einwandern wollen, aber nicht können (oder konnten), kann geholfen werden. Wer aber kann und nicht will, dem kann nicht geholfen werden. Solange sie zwangsweise im Exil waren, konnten sie den Einfluss der heidnischen Umwelt abwehren. Jedoch von dem Moment an, von dem an sie freiwillig im Exil bleiben, beginnt die Assimilation an ihnen zu nagen; Mischehen und fremde Kulte lösen sie aus ihrem Volk und Glauben heraus.“
Die Shoah ging von Deutschland aus, einem Land, dessen Juden einen Grad der Assimilation erreicht hatten, wie sonst nirgends. „Theodor Herzls Programmschrift ,Der Judenstaat´ erschien als erstes in deutscher Sprache, daher waren die deutschen Juden die ersten, die mit der Idee des Zionismus bekannt wurden – doch sie wollten nicht; ihre Karriere und ihr Reichtum war ihnen wichtiger als die Heimkehr ins Gelobte Land.“

Kapitel 33, Parascha „Massej“, rekapituliert die Stationen der Wüstenwanderung, erwähnt den Tod Aarons und schließt mit dem göttlichen Auftrag „Ihr werdet nun den Jordan zum Land Kanaan überqueren“, alle Bewohner des Landes Kanaans zu vertreiben und die Relikte fremden Kultes vollständig zu beseitigen – „denn Ich habe das Land Euch gegeben“. Es wird vorhergesagt, dass Überbleibsel zum ‘Dorn im Auge’ und ‘Stacheln eurer Seiten’ werden und jeder geschlossener Bund mit einem Volk zum Fallstrick wird (2. Mose 23,32-33; wörtlich: mokesch = Mine). Diese Vorhersage hat sich wie man bis heute sehen kann, bestätigt.

In Bezug auf den dieswöchigen Prophetenabschnitt läßt sich eine interessante Parallele ziehen: Wie im Jahr des Zweiten Libanonkrieg letzten Sommer, und neu nun am Jahrestag wieder die Kriegsgefahr von Seiten Syriens (neuer Pakt mit der Hisbollah und dem Iran) über Israel im Norden schwebt, steht im Prophetenabschnitt aus Jeremia 1 geschrieben: „Vom Norden her wird das Unglück losbrechen über alle Bewohner des Landes“ (Vers 14). Interessant und sicherlich kein Zufall.

Was für einen Trostwort erhielt Jeremia im Vers 5: „Ehe Ich dich im Mutterschoß bildete, kannte Ich dich, und ehe du aus dem Mutterleib hervorkamst, habe Ich dich geheilgt: zum Propheten für die Nationen...“ – er brauchte diesen Trost, da er der „leidene Prophet“ wurde – ihm wurde „das Wort Gottes in den Mund gelegt!“

... und zum Schluß der Trost über Jerusalem aus unserer Haftara (2,2):
„Ich, der HERR, erinnere Mich – dir zugute – an die Treue deiner Jugendzeit, an die Liebe deiner Brautzeit, wie du hinter Mir hergingst in der Wüste...“

- Michael Schneider –
Quelle: NAI