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Thema: Schabbat

  1. #1
    Batya-Tikvah Gast

    Standard Schabbat

    Der Schabbat

    Geschaffen nur, nur begründet. Aber als solche Begründung wird sie zum liturgischen Brennpunkt des Fests, in welchem das geistliche Jahr gegründet wird, der Wiederkehr in seiner Wiederkehr, des Sabbats. In dem Kreislauf der Wochenabschnitte, der jährlich einmal die ganze Thora durchläuft, wird das geistliche Jahr ausgeschritten, und die Schritte dieses Laufs sind die Sabbate. Jeder Sabbat gleicht im großen und ganzen jedem andern, aber der Wechsel des Schriftabschnitts unterscheidet jeden von jedem, und in diesem, was sie unterscheidet, lassen sie erkennen, dass sie nicht ein letztes sind, sondern nur die einzelnen Glieder einer höheren Ordnung, des Jahres; denn erst im Jahr schließt sich dies, was die einzelnen unterscheidet, selber wieder zu einem Ganzen. Der Sabbat verleiht dem Jahr Dasein. Dies Dasein muss allwöchentlich neu erschaffen werden. Das geistliche Jahr ist allemal ganz befangen in dem Wochenabschnitt der grade laufenden Woche; es weiß sozusagen nur, was in diesem Wochenabschnitt grade "vorkommt", aber es wird gleichwohl zum Jahr erst dadurch, dass jede Woche nur ein vorübergehender Augenblick ist; erst in der ablaufenden Folge der Sabbate rundet sich das Jahr zum Kranz. Grade die Regelmäßigkeit in der Folge der Sabbate, gerade dies dass, bis auf den Wochenabschnitt, im Wesentlichen einer dem andern gleicht, macht sie zu Grundsteinen des Jahrs; das Jahr als geistliches wird durch sie überhaupt erst einmal geschaffen: sie gehen allem, was etwa noch kommt, voran; sie gehen auch ungestört neben allem diesen, unter allem Reichtum der Feste ihren gleichmäßigen Gang; unter dem Aufbranden von Freude und Schmerz, von Leid und Seligkeit, das mit den Festen kommt und geht, zieht der gleichmäßige Fluss der Sabbate, dessen gleichmäßiges Fließen erst jene Wirbel der Seele möglich macht. Im Sabbat geschieht die Schöpfung des Jahrs, und so ist er selber schon an sich in seiner innerliturgischen Stellung das, was ihm auch als seine Bedeutung zuallernächst beigelegt wird: das Erinnrungsfest der Schöpfung.

    Das Fest der Schöpfung

    Denn in sechs Tagen hat Gott Himmel und Erde geschaffen und am siebenten hat er geruht. So wird der siebente Tag als "Ruhetag", als "Sabbat", zur Feier der "Erinnerung an das Werk des Anfangs", genauer an die Vollendung jenes Werks - "und es waren vollendet der Himmel und die Erde und ihr ganzes Heer". Der Sabbat spiegelt die Schöpfung der Welt ins Jahr. Gleich wie die Welt immer schon da ist und ganz da ist, ehe irgend ein Ereignis in ihr eintritt, so geht auch die Ordnung der Sabbate allen irgend Ereignisse vergegenwärtigenden Festen voran und läuft ungestört durch jene ihren Lauf. Und gleich wie die Schöpfung nicht erschöpft ist darin, daß die Welt einmal geschaffen wurde, sondern erst in ihrer allmorgendlichen Erneuerung sich ganz erfüllt, so darf auch der Sabbat als das Fest der Schöpfung kein einmaliges Fest im Jahre sein, sondern muss, allwöchentlich dasselbe und doch allwöchentlich durch den Wochenabschnitt ein andres, sich durch den ganzen Kreislauf des Jahres erneuen. Und gleich wie die Schöpfung schon ganz vollendet ist und also die Offenbarung ihr nichts herzubringt, was nicht als eine Weissagung schon in ihr verborgen liegt, so muss auch das Fest der Schöpfung schon den ganzen Inhalt der Offenbarungsfeste in sich tragen; in seinem eigenen inneren Ablauf von Abend bis Abend muß es ganz Weissagung sein.

    Freitagabend

    Das dreimal täglich wiederholte große Gebet enthält am Sabbat zum Unterschiede von den Werktagen poetische Einlagen, die aus der einfachen Wiederholung einen geschlossenen zusammenhängenden Ablauf machen. Das Gebet des Vorabends wird durch seinen Zusatz auf die Stiftung des Sabbats bei der Schöpfung der Welt bezogen. Das Schlusswort der Schöpfungsgeschichte - "und es waren vollendet" - wird hier gesprochen; so wird es auch nach der Heimkehr vom öffentlichen Gottesdienst in den heiligen Lichtkreis des Hauses gesagt, ehe in dem Segen über Brot und Wein als die göttlichen Gaben der Erde die Gottgeschaffenheit des Irdischen unterm Schein der Sabbatkerzen bezeugt und damit der ganze begonnene Tag zum Fest der Schöpfung geweiht wird. Brot und Wein sind nämlich höchst vollkommene und gar nicht mehr zu übertreffende Gebilde des Menschen und dennoch nicht zu vergleichen seinen andern Gebilden, in denen sein erfinderischer Geist die Gaben der Natur künstlich zusammensetzt und in der Zusammensetzung immerfort sich selber zu höherer Künstlichkeit überbietet, sondern sie sind gar nichts als veredelte Gaben der Erde; sie sind der geschaffene Grund aller Lebenskraft das eine, aller Lebensfreude das andre; beide fertig von der Welt her und vom Menschen auf ihr, und beide werden nimmer alt; jeder Bissen Brot und jeder Schluck Wein schmeckt uns so herrlich, wie uns der erste schmeckte, und sicher nicht weniger herrlich als er vor unvordenklichen Zeiten den Menschen schmeckte, die zum ersten Mal das Brot von der Erde ernteten und die Frucht des Weinstocks lasen.

    Schabbatmorgen

    Wurde so der Vorabend insbesondere zur Feier der Schöpfung, so wird nun der Morgen zur Feier der Offenbarung. Die Einlage zum großen Gebet singt hier die Freude Moses über das Gottesgeschenk des Sabbats. Und dem Jubel des großen Empfängers der Offenbarung, mit dem Gott redete von Angesicht zu Angesicht wie ein Mann redet mit seinem Freund und den er erkannte wie hinfort keinen Propheten in Israel, folgt nun in der Ordnung des Tages die Verlesung des Wochenabschnitts vor der Gemeinde durch die Abgeordneten der Gemeinde. Am Vorabend war es das Wissen um die Geschaffenheit alles Irdischen, die den Spruch der Weihe formte, am Morgen ist es das Bewusstsein der Erwähltheit des Volks durch die Gabe der Thora und der in dieser Gabe geschehenen Einpflanzung ewigen Lebens in seiner Mitte. Mit jenem, dem Bewusstsein der Erwähltheit, tritt der Aufgerufene aus der Gemeinde an das Buch der Offenbarung heran, mit diesem, dem Bewusstsein ewigen Lebens, kehrt er ihm den Rücken und taucht wieder unter in der Gemeinde. Mit diesem Bewusstsein ewigen Lebens aber steigt er auch innerhalb des Sabbats über die Schwelle, welche Offenbarung wie Schöpfung noch von der Erlösung scheidet. Das Gebet des Nachmittags wird zum Gebet der Erlösung.

    Schabbatnachmittag

    In der Einlage dieses Gebets ist Israel mehr als das erwählte, hier ist es das "eine", das "einzige" Volk, das Volk des Einen. Alle das Reich herbeizwingende Inbrunst, mit der dies heilige Wort "eins" im Munde des betenden Juden gefüllt ist, wird hier lebendig. So wird alltäglich zweimal, abends und morgens, im Wort des Bekenntnisses, nachdem vorerst in der Aufforderung zum "Hören" die Gemeinschaft Israels geschaffen, in der Anrufung Gottes als "unsres Gottes" seine unmittelbare Gegenwart bezeugt ist, Gottes "Einheit" ausgerufen als sein ewiger Name jenseits alles Namens, jenseits aller Gegenwärtigkeit; und wir wissen, dass dieses Ausrufen mehr ist als ein flüchtiges Wort, dass in ihm, indem der Einzelne also das "Joch des Himmelreichs auf sich nimmt", die ewige Einigung Gottes mit seinem Volk, seines Volks mit der Menschheit geschieht. Das alles klingt mit in dem Gebet des Sabbatnachmittags in dem Hymnus auf das eine Volk des Einen. Und die Gesänge des "dritten Mahls", zu dem sich im Dämmer des versinkenden Tages Greise und Kinder am langen gedeckten Tische vereinen, sind ganz trunken von dem Rausch der gewisslich nahenden Zukunft des Messias.

    Schabbatausgang

    Aber diese ganze durchlaufene Bahn des Gottestags ist eingeschlossen in den Tageskreislauf des einzelnen Sabbats nur wie ein Vorblick, dem erst weiterhin in eignen Festen die Erfüllung werden kann. Im Sabbat selbst geschieht die Erfüllung noch nicht. Er bleibt ein Fest des Ruhens und Betrachtens. Er bleibt die ruhende Grundlage des Jahres, in das, abgesehen von der Folge der Wochenabschnitte, erst der Festzyklus Bewegung hineinbringt. Wie Ornamente nur erscheinen in diesen Rahmen eingeschnitzt schon die Vordeutungen auf jene Inhalte der Offenbarung, die bestimmt sind, der Reihe nach als Bilder in ihn eingespannt zu werden. Er selber ist gar nicht ausschließlich Fest, sondern mindestens so sehr ein bloßer Tag der Woche. Er hebt sich nicht wie die eigentlichen Feste aus dem Jahr heraus, das ja vielmehr erst von ihm her sich aufbaut, sondern aus der Woche. Und so taucht er auch wieder in die Woche zurück. Wie die Gemeinde ihn - der Bräutigam die Braut - jubelnd begrüßte, als er ins Gotteshaus einzog, so entschwindet er wieder wie ein Traum in den Alltag. Der kleinste menschgesetzte Kreislauf, die Arbeitswoche, hebt wieder an. Ein Kind hält den Brand, den ein Greis beim letzten mit geschlossnem Auge geleerten Becher erwachend aus dem Traum der Vollendung, den das Fest des siebenten Tags gewoben, entzündet. Aus dem Heiligtum gilt es wieder den Weg zu finden in den Alltag. Auf den Wechsel von Heiligem und Gemeinem, von siebentem und erstem Tag, von Vollendung und Anfang, Greis und Kind baut sich das Jahr, baut sich das Leben. Der Sabbat ist der Traum von Vollendung, aber nur ein Traum. Und erst indem er dies beides ist, wird er wirklich der Grundstein des Lebens, und grade als Fest der Vollendung seine immer erneuerte Schöpfung.

    Ruhe

    Denn dies ist das Letzte: Seiner Einsetzung gemäß war der Sabbat zuvörderst Erinnerung an das Werk des Anfangs und als solche dauernder, fester Grund des geistlichen Jahres; andrerseits war seine Einsetzung selber doch innerhalb der Schöpfung schon das erste Zeichen der Offenbarung - erscheint doch in den Worten der Einsetzung verhüllt zum ersten Mal in der Schrift der offenbarte Name Gottes; endlich aber ist er nun grade darin, dass er beides, sowohl Zeichen der Schöpfung wie erste Offenbarung ist, auch und sogar vor allem die Vorwegnahme der Erlösung. Was denn andres wäre die Erlösung als dies, dass sich Offenbarung und Schöpfung versöhnten! Und was wäre die erste unerlässliche Vorbedingung solcher Versöhnung als die Ruhe des Menschen nach getaner Weltarbeit. Sechs Tage hat er gearbeitet und alle seine Geschäfte verrichtet, aber am siebenten ruht er; sechs Tage hat er viel Nützes und Unnützes gesprochen, wie es ihn der Werktag hieß, aber am siebenten lässt er nach dem Geheiß des Propheten seine Zunge ruhen von alltäglichem Gerede und lernt das Schweigen und Hören. Und diese Heiligung des Ruhetags durch das schweigende Hören der Stimme Gottes muss seinem ganzen Hause gemeinsam sein; es darf nicht gestört werden durch den Lärm des Befehls; auch Knecht und Magd müssen ruhen, ja grade um ihrer Ruhe willen, heißt es, sei der Ruhetag eingesetzt; denn wenn die Ruhe auch bis zu ihnen gedrungen ist, dann wird in Wahrheit das ganze Haus vom geschwätzigen Lärm der Werktage zur Ruhe erlöst sein. Erlösung soll die Ruhe bedeuten, nicht Sammlung zu neuer Arbeit. Die Arbeit ist allemal wieder ein Anfang; der erste Werktag ist der erste Tag der Woche, der Ruhetag aber der siebente. Das Fest der Schöpfung ist das Fest der Vollendung. Indem wir es feiern, treten wir in der Schöpfung über Schöpfung und Offenbarung hinaus. Im großen Gebete am Sabbat entfallen jene ganzen mittleren Bitten um die "Bedürfnisse des Einzelnen", nicht bloß die Bitten des Geschöpfs wie die um gutes Jahr und Gedeihen der Feldfrucht, um Gesundheit, eigne Einsicht und gutes Regiment, sondern auch die des Gotteskindes um Vergebung seiner Sünden und um endliche Erlösung; und es bleibt außer der Bitte um Kommen des Reichs und um Frieden, die Bitten des Einzelnen sind wie Bitten der Gemeinschaft, nur Lob und Dank. Denn am Sabbat fühlt sich die Gemeinde, soweit sie es in solcher Vorwegnahme irgend kann, als erlöste - heute schon. Der Sabbat ist das Fest der Schöpfung, aber einer Schöpfung, die um der Erlösung willen geschah. Er ist offenbart am Ende der Schöpfung und als der Schöpfung Sinn und Ziel. Deswegen feiern wir das Fest des uranfänglichen Werks nicht am ersten Schöpfungstag, sondern an ihrem jüngsten, - am siebenten Tag.

    Aus: Franz Rosenzweig "Der Stern der Erlösung" Dritter Teil - Erstes Buch
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