Hallo Martin,

keine göttliche Lehre definiert? So kann man die Frage nicht ganz beantworten. Ich habe zwischen meinen Zeilen offensichtlich etwas impliziert, was ich so nicht meinte.
Es gibt den Begriff „sanatana Dharma“. „Sanatana“ bedeutet so viel wie „ewig, uralt, urtümlich, dauerhaft, fest, stabil“. „Dharma“ kommt vom Wortstamm „dhri“ , was „tragen“ bedeutet. Dharma ist das, was trägt. Die Kraft, das Gesetz, das die Schöpfung erhält und unterstützt. Auch das, was die Evolution (auch im spirituellen Sinne) bewirkt. Dharma ist die Wahrheit, die wahre Lehre. In Übereinstimmung mit dem Dharma zu leben bedeutet, ein rechtschaffenes, angemessenes, sittliches Leben zu führen. Den eigenen Dharma zu verwirklichen bedeutet, seine Bestimmung in Übereinstimmung mit dem Dharma zu verwirklichen.
Der Begriff „sanatana Dharma“ meint dann soviel wie „ewiges Gesetz, ewige Ordnung, ewige Religion und Wahrheit“. Alle Religionen sind, soweit ich es überblicke, ein mehr oder weniger klarer Ausdruck dieses santana Dharma. Insofern als alle dazu auffordern, sich einem Größerem hinzugeben; die Egozentriertheit zu überwinden. Die Wahrheit im Sinne dieses sanatana Dharma kann zwar gelehrt werden, muss letztlich aber von jedem selbst durch direkte Erfahrung, direktes Erleben erkannt werden.
Dass im Kriya vom Monismus ausgegangen wird ist nicht ganz falsch. Sowohl die Yoga Sutras des Patanjali, als auch die Bhagavad-Gita gehen vom Monismus aus. Beide Werke haben im Kriya einen gewissen Stellenwert. Das Göttliche als Absolutes bedeutet Monismus. Aber Du kannst auch verschiedene Aspekte Gottes sehen. Ähnlich wie Du reines weißes Licht durch ein Prisma verschiedenfarbig erscheinen lassen kannst. Obwohl es doch nur ein Licht ist. Nehmen wir beispielsweise die Bibel. Da erscheint uns Gott als Gesetzgeber, als Kriegsgott, als Richter, als liebender Vater etc. Im Hinduismus findest Du solche Aspekte des Göttlichen / Absoluten zu scheinbar eigenenständigen Gottheiten stilisiert. Die göttliche Liebe in Krishna, die Rechtschaffenheit in Rama, die Gesetzmäßigkeit dieser Welt in Kali usw.
Der Mensch ist es gewohnt, in Formen und Eigenschaften zu denken. Deshalb ist es für viele, wenn nicht gar die meisten Menschen schwer, Hingabe an etwas Abstraktes, Absolutes, nicht Greifbares zu empfinden. Da ist es doch außerordentlich sinnvoll, das Göttliche in einem seiner Aspekte zu verehren. Wissend, dass dies nur ein Aspekt des Absoluten ist. Viel Christen sehen im Göttlichen den Aspekt des liebenden Vaters von dem Jesus sprach, oder den Aspekt des Richters (die Offenbarung läßt grüßen).
Kriya zwingt hier keinem Menschen etwas auf. In der Linie meiner Lehrer wurden stets alle aufrichtigen Gottsucher im Kriya unterwiesen. Egal welcher Religion oder Weltanschauung sie angehörten. Es gibt auch Christen, die Kriya-Yogis sind. Du kannst das NT aus jüdischer Sicht lesen. Oder aus christlicher Sicht. Aber auch aus yogischer Sicht. Letzteres ist der Grund, warum Jesus oft auch von Yogis zitiert und geachtet wurde (Sri Ramakrishna, Vivekananda, Sri Yukteswar, Yogananda u.a.). Dass ihre Sichtweise nicht ganz mit der kirchlichen Sichtweise konform ging /geht … Nun ja ;-)

Ob ich auf „konservative“ Art bete? Nein, kaum noch. Zwar verehre ich das Göttliche manchmal in dem einen oder anderen Aspekt wie beispielsweise Liebe oder Freude. Aber anbeten, wie Du es wahrscheinlich meinst, liegt mir nicht mehr. Ich verstehe Gott eher als Absolutes.

Gruß
LD