Ergebnis 1 bis 2 von 2
  1. #1

    Standard Zieh ein zu deinen Toren

    Meinen Beitrag habe ich in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil steht der Liedtext, im zweiten Teil habe ich meine Erfahrungen und Gedanken beschrieben.


    1. Zieh ein zu deinen Toren,
    sei meines Herzens Gast,
    der du, da ich geboren,
    mich neu geboren hast,
    o hochgeliebter Geist
    des Vaters und des Sohnes,
    mit beiden gleichen Thrones,
    mit beiden gleich gepreist.

    2. Zieh ein, lass mich empfinden
    und schmecken deine Kraft,
    die Kraft, die uns von Sünden
    Hilf und Errettung schafft.
    Entsündge meinen Sinn,
    dass ich mit reinem Geiste
    dir Ehr und Dienste leiste,
    die ich dir schuldig bin.

    3. Ich war ein wilder Reben,
    du hast mich gut gemacht;
    der Tod durchdrang mein Leben,
    du hast ihn umgebracht
    und in der Tauf erstickt
    als wie in einer Flute
    mit dessen Tod und Blute
    der uns im Tod erquickt.

    4. Du bist das heilig Öle,
    dadurch gesalbet ist;
    mein Leib und meine Seele
    dem Herren Jesus Christ
    zum wahren Eigentum,
    zum Priester und Propheten
    zum König, den in Nöten
    Gott schützt vom Heiligtum.

    5. Du bist ein Geist, der lehret,
    wie man recht beten soll;
    dein Beten wird erhöret,
    dein Singen klinget wohl;
    es steigt zum Himmel an,
    es lässt nicht ab und dringet,
    bis der die Hilfe bringet,
    der allen helfen kann.

    6. Du bist ein Geist der Freuden,
    von Trauern hältst du nicht,
    erleuchtest uns im Leiden
    mit deines Trostes Licht.
    Ach ja, wie manches Mal
    hast du mit süßen Worten
    mir auf getan die Pforten
    zum güldnen Freudensaal!

    7. Du bist ein Geist der Liebe,
    ein Freund der Freundlichkeit,
    willst nicht, dass uns betrübe
    Zorn, Zank, Hass, Neid und Streit.
    Der Feindschaft bist du feind,
    willst, dass durch Liebesflammen
    sich wieder tun zusammen,
    die voller Zwietracht seind.

    8. Du, Herr, hast selbst in Händen
    die ganze weite Welt,
    kannst Menschenherzen wenden,
    wie dir es wohl gefällt.
    So gib doch deine Gnad
    zu Fried und Liebesbanden;
    verknüpf in allen Landen,
    was sich getrennet hat.

    9. Erhebe dich und steure
    dem Herzleid auf der Erd;
    bring wieder und erneu’re
    die Wohlfahrt deiner Herd.
    Lass blühen wie zuvor,
    die Länder, so verheeret,
    die Kirchen, so zerstöret
    durch Krieg und Feuerszorn.

    10. Beschirm die Obrigkeiten,
    richt auf des Rechtes Thron;
    steh treulich uns zur Seiten,
    schmück als mit einer Kron
    die Alten mit Verstand,
    mit Frömmigkeit die Jugend,
    mit Gottesfurcht und Tugend
    das Volk im ganzen Land.

    11. Erfülle die Gemüter
    mit reiner Glaubenszier,
    die Häuser und die Güter
    mit Segen für und für.
    Vertreib den bösen Geist,
    der dir sich widersetzet
    und, was dein Herz ergötzet,
    aus unsern Herzen reißt.

    12. Gib Freudigkeit und Stärke,
    zu stehen in dem Streit,
    den Satans Reich und Werke
    uns täglich anerbeut;
    hilf kämpfen ritterlich,
    damit wir überwinden
    und ja zum Dienst der Sünden
    kein Christ ergebe sich.

    13. Richt unser ganzes Leben
    allzeit nach deinem Sinn;
    und wenn wir’s sollen geben
    in’s Todes Rachen hin,
    wenn’s mit uns hier wird aus,
    so hilf uns fröhlich sterben
    und nach dem Tod ererben
    des ew’gen Lebens Haus.

    Paul Gerhardt (1653)

  2. #2

    Standard

    2. Teil

    Vor etlichen Jahren gab es eine Sendung zum Thema „Der Heilige Geist im Kirchenlied“. Darin spielte „Zieh ein zu deinen Toren“ eine wichtige Rolle. Für mich war es Anlass, im Liederbuch systematisch nach Aussagen zum Heiligen Geist zu suchen. Dabei ist mir erst bewusst geworden, dass es in den alten Liedern viel mehr Aussagen zu Heiligen Geist gibt, als ich erwartet hatte. In der Folge ist dann Paul Gerhardt zu meinem Lieblingsdichter geworden.

    Das Lied, das ich hier vorstellen will, ist ein Pfingstlied. Es ist erstmals in einer Liedersammlung 1653 erschienen und umfasst 16 Strophen. (Leider war es mir nicht möglich, alle Strophen zu finden.) Wegen Strophe 9 vermutete man, dass der Text vor 1648, also vor dem Ende des 30jährigen Krieges, gedichtet wurde.

    Heutzutage sind 16 Strophen sehr viel für ein Lied. Dabei ist aber die Entstehungszeit zu bedenken. Barock - das bedeutet auch aus „ausladend“. Und so sind die Texte dieser Zeit lang, ausschweifend und mit kompliziertem Satzbau.

    Der Text beginnt schwerfällig, beinahe lehrmäßig. Dogmatisch korrekt wird der Dreieinige Gott beschrieben. Die Strophen 3 und 4 könnten auch eine Taufformel sein.

    Die „Du-Strophen“ 4 bis 8 sind für mich schönsten im Text. Der Dichter verzichtet auf jede Theologie und lässt stattdessen sein Herz sprechen. Der Heilige Geist macht uns zu „Priestern und Propheten“, eine für manchen kühne Aussage.

    Der Heilige Geist zeigt uns, wie wir beten sollen. Er sorgt dafür, dass unsere Gebete erhört werden und das wir in richtiger weise singen. Hierin sehe ich einen Bezug zu Röm. 8,26 „...denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie es sich gebührt...“

    Dann ist der Heilige Geist einer, der Freude schenkt. Die Freude scheint mir in der Dichtung Paul Gerhardts eine wichtige Rolle zu spielen. Da ist vom Freudensaal die Rede (Strophe 6), von der „güldnen Sonne voll Freud und Wonne“ oder vom „Freudenlicht“.

    Überhaupt ist es Paul Gerhardt wichtig zu betonen, wie wichtig der Heilige Geist im Alltag ist. „Seinen Geist den edlen Führer, schenkt er mir in seinem Wort“. Oder, der Geist „hilft mir das Abba schreien mit aller meiner Kraft“ (Gal. 4,6).

    In den Strophen 7 und 8 ist dann vom Geist der Liebe die Rede. Erst dieser Geist ermöglicht es uns, unseren Mitmenschen zu lieben, Hass und Streit zu überwinden. Die meisten unter uns wissen, wie schwierig das in der Praxis sein kann.

    In Strophe 11 wird der böse Geist beschieben, der sich Gott widersetzt. Das klingt zunächst wie aus einer vergangenen Zeit. Wer aber an die kleinen und großen Schurken in der Menschheitsgeschichte denkt, wer bedenkt, welche Schrecken und Scheußlichkeiten diese über die Menschen gebracht haben, kommt nicht umhin, diese als Mächte oder Verbündete des bösen Geistes zu betrachten.

    Paul Gerhardt wir auch als „Psalmist der Christenheit“ bezeichnet. Ich meine, dass dieses zu Recht gilt und sich das an diesem Pfingstlied besonders gut zeigt.

    Gruss Gerd


 

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