Lieber Rudi, du greifst mich nicht an, ganz im Gegenteil, dein Text zeugt von besagter Reife, die Hoffnung macht, dass eine Handreichung nicht vergebens ist.

Ich möchte dir zu Punkt 1. sagen, ja es sind unterschiedliche Herangehensweisen. Doch wie du richtig bemerktest, dass Trauma haben beide Seiten.

Zu deiner zweiten Frage lieber Rudi. Hier wird es jetzt wirklich schwierig. Grundsätzlich muss ich dir sagen, nein, du musst dich bei mir für nichts entschuldigen. Weder für die Geschehen bei der Schoa, noch für die Geschen in den Vorzeiten. Das ist eine Sache zwischen den eigentlichen Tätern und Opfern. Ich persönlich würde das nie verlangen oder für richtig halten. Ein Jeder ist für seine Sünden selbst verantwortlich. An eine Erbsünde oder Erbschuld glaube ich nicht. Denn die Kinder sollen nicht für die Schuld der Väter bezahlen.

Nun magst du fragen, wenn das so klar ist, warum sage ich: „Hier wird es jetzt wirklich schwierig.“ Hierzu möchte ich dir folgendes Beispiel anführen. Als Konstantin sagte: „Nichts soll der Christ mehr mit den Juden gemein haben“, und auf übelste Weise die Juden diffamierte, so war einer seiner ersten Beschlüsse für diesen Ausschluss aus der Gemeinschaft, das Verbot für das Pessachfest und die Neugründung eines Osterfestes. Die Kirche jubelte und stimmte zu. Hier Rudi, ist es schwierig, denn mit jedem Osterfest wird einem Juden klar, dieses Fest hat seinen Ursprung in einem ganz üblen Antijudaismus und schmerzlich wird jedes Jahr an Ostern einem Juden bewusst, was die Hintergründe für dieses Festdatum sind. Es ist eine Mauer, die die Kirche selbst einst mit aufgebaut hat und beharrlich an dieser Mauer festhält. Ich weis Rudi, dass den meisten Christen diese Hintergründe unbekannt sind!!! Doch hier treffen wir dann aber auch auf ein großes Unverständnis zwischen Judentum und Christentum. Es ist der Umgang mit Geschichte und Geschichtsbewusstsein. Einem Juden wird es immer unverständlich bleiben, wie wenig aufgeklärt viele Christen über ihre eigene Geschichte sind. Hier wird auch klar, dass ein Jude nur den Kopf schütteln kann, wenn ein Christ von sich sagt, er sei stolz Christ zu sein und im gleichen Atemzug betont, er habe nichts mit der Geschichte seiner Religion zutun und dann doch praktiziert!!! Ein Jude könnte das ganz sicher so nicht von sich behaupten. Beleg dafür ist die Bibel, die schonungslos Missstände benennt und anklagt. Ein Fakt aus dem uns die Kirche mehrfach einen Strick gedreht hat. Ja, nicht einmal die Aussage Jesu, die für Christen eigentlich ein ganz deutlicher Hinweis sein müsste, macht wirklich eine Kursänderung möglich (Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen …)
Warum konnte die Schoa geschehen? Nicht weil A.H. an die Macht kam, nein, weil der Nährboden dafür da war, der zugleich auch einen solchen Mann hervorbringen konnte.

Wie fühlt man sich als Jude, wenn einem freundschaftlich die Hand gereicht wird und er im gleichen Augenblick erleben muss wie Ablehnung praktisch gehandhabt wird? Ich kann es dir sagen, er versucht zu verstehen, erkennt die Irrtümer und doch wird ihm immer im Bewusstsein bleiben, dass er ja angeblich eine Decke vor Augen hat und irren muss, weil die „Anderen“ die angebliche Wahrheit haben. Ganz tief im Hinterkopf sitzt das auch bei mir und mahnt mich zu größter Vorsicht. Doch wo ich vorsichtig sein muss, da ist es mit der Freiheit so eine Sache. Ich habe genau diesen Sachverhalt erst heute bei Glaube.de gelesen, wo sofort das Verurteilungsprinzip heraufbeschworen wurde (gleiches Thema wie hier). Das macht Angst und es ist zutiefst herabwürdigend. Es entmutigt und deprimiert, weil man merkt, wie wenig gereift eine offene und ehrliche Auseinandersetzung um Sachfragen möglich ist.

Ich möchte betonen, es geht mir bei diesem Beispiel von Ostern nicht um das Gedächtnis an Jeshua, sondern darum, wie viel Gift in dieses Gedächtnis eingestreut wurde, beginnend mit der inhaltlichen Füllung (heidnischer Kult) bis hin zum Festtagsdatum selbst. Ein Gift, das dem jüdischen Menschen sehr wohl bewusst ist, weil es zum Bestandteil seiner Geschichte wurde. Diese Geschichte unseres Volkes prägt auch mich ganz wesentlich und ich gäbe alles dafür, wenn wir endlich anfangen könnten dieses Gift – AUF BEIDEN SEITEN – zu entfernen. Das Gift der Angst und Vorurteile und das Gift des Widersachers, der eine Religion dazu missbrauchte um Gottes Volk auszulöschen.

Es gibt nichts zu entschuldigen, es gilt einen Neuanfang zu wagen und das geht nur wenn man bereit ist, Umkehr zu tätigen, umzusinnen und ganz ehrlich Stück für Stück Fehlentwicklungen zu benennen und dann auszumerzen. Das ist Entschuldigung genug, dass ist gelebte Busse.

Ich weis, viele tun das und gehen diesen Weg Hand in Hand mit uns und ich weis, so bauen wir endlich wieder wahrhaftig an der Gemeinschaft der Kinder Gottes, an der Gemeinschaft, in der Jeshua nicht zum trennenden wird, sondern zum zusammenfügenden.
Um mit den Worten Shalom ben Chorins zu sprechen: „Lasst uns den edelsten unserer Söhne, Jesus, endlich wieder nach Hause – nach Erez Jisrael – holen. Lang genug haben die Heiden sein Liebesbotschaft pervertiert, uns damit verfolgt und getötet.“ Ich möchte hinzufügen, die aufrecht Gläubigen aller Nationen und Völker werden folgen und erkennen, dass nicht Rom oder die USA, der Westen oder das Christentum die Heimat Jeshuas ist, sondern Zion. Ein Zion, dass für Juden und „Christen“ im gleichen Maß Heimat ist und sein sollte.


Samu