Ich möchte dazu einmal folgenden Gedanken einwerfen.
Als die Kirchenväter die Bibel festlegten – angeblich – nach Gottes Willen und auch die Schriften revidierten und überarbeiteten, da wurden auch folgende Schriften – durch Wirken des Heiligen Geistes – für heilig und inspiriert angesehen: Jesus Sirach, Tobit, Judith, Makkabäerbücher, Weisheit.
Martin Luther erklärte jedoch, Kraft des heiligen Geistes diese Bücher für nicht inspiriert und als Pseudoepigraph und schloss sich der Meinung des Judentums, über die Gewichtung dieses Schriftgutes an. Zudem nannte Luther den Hebräerbrief eine strohende Epistel, Jakobus eine üble Fälschung und die Berglehre Jesu bezeichnete er sogar als gefährlich. Zumindest hat sich der Großteil der Evangelikalen dazu durchgerungen, dem Ansinnen Luthers zu folgen die Pseudoepigraphen als nicht inspiriert aus der Bibel zu verweisen, man schloss sich ihm nicht an, bei dem Hebräerbrief und dem Jakobusbrief, den er ebenso raus warf, man drängte zudem die damaligen Christen dazu, die Berglehre Jesu nicht ohne kirchliche Unterweisung zu lesen.
Nun entstand aus Luthers Reform jedoch ein ernsthaftes Problem, er bestritt durch seine Neufestlegung des Bibelkanons, dass die Kirchenväter eine echte Autorität von Gott hatten, die Bibel nach seinem Willen festzulegen. Es bedurfte erst der Reformation durch Luther, diese Fehler zu beseitigen. Die katholische Kirche hingegen bestritt ihrerseits, dass Luther die Autorität hat, den Kanon zu verändern. Dieser Streit um die Autorität geht bis heute. Denn nur wer die ganze „Heilige Schrift“ anerkennt, erkennt auch Gottes Wort an, so die kath. Seite, hingegen die Evangelikalen erklären, dass diese Schriften zwar gut zur Lehre sind, aber keinen besonderen Status genießen und sich die Kirchenväter diesbezüglich irrten.
Was für eine Bibel benutzen nun Evangelikale? Eine Schrift, die durch die Reformation von bestimmten „heiligen Schriften“ losgelöst wurden, so könnte ich jetzt als Katholik argumentieren. Oder um kath. Theologen zu Wort kommen zu lassen, die Evangelikalen haben sich ihren Kanon selbst zusammengeschustert, sie lehnen einen Teil des Wortes Gottes ab. Damit greifen sie die von Gott gegebene Autorität der Kirchenväter an und unterstellen Gott, er hätte es zugelassen, dass sich die Kirchenväter beim Bibelkanon hätten irren können.
Bis heute schweigt wohlweislich die evangelische Kirche zu diesem Sachverhalt, weil er in der Tat sie in eine theologische Zwickmühle bringt. Denn wenn man schon hier den Kirchenvätern einen Irrtum unterstellt und sich am Judentum orientiert, also dessen Autorität über die Kirchenväter stellt, wieso dann nur so halbherzig und übernimmt nicht gleich die hebräische Bibel? Wieso folgte man Luther nur zum Teil bei seiner Revidierung des Kanons?
Doch noch ein Problem zeigt sich hier, es gibt gar keinen einheitlichen christlichen Bibelkanon. Denn die Orthodoxie hat zudem noch ganz andere Bücher in ihrer Bibel und lehnt nicht nur vehement und ganz radikal Luthers Bibel ab, sondern auch die lateinische Bibelversion der katholischen Kirche. Hier wird also ebenso die Autorität, nämlich der lateinischen Kirchenväter angegriffen, einen echten Auftrag von Gott bekommen zu haben.
Da stellt sich dem „Außenstehenden“ schon die Frage, wer hat nun Recht? Hatten die Kirchenväter, egal ob griechisch, alexandrienisch oder lateinisch wirklich die Autorität und hatte ein Luther die Autorität und die spätere Evangelische Kirche die Autorität???
Wenn sich die Kirchen schon untereinander diese Autorität absprechen, was gilt dann? Wenn gestritten wird, was nun von Gott sein soll und was nicht, wer hat dann recht, die Evangelikalen, die Katholiken, die Orthodoxen?
Was sich allein schon am Bibelkanon abspielt, findet dann noch wesentlich andere Gewichtung beim interpretieren des Schriftgutes selbst. Ich denke da nur an den ganzen Streit um den Sakramentalismus. Was kann man nicht alles in die Bibel hineinlesen und was weglesen? Das geht dann hin bis zum gegenseitigen Absprechen der Heilsgewissheit – leider!
Sollte das wirklich alles im Willen Gottes gewesen sein?
Eine Antwort dazu findet man in meinen Ausführungen. Doch zugleich ist auch eins ganz klar, Gottes Wegweisungen in Menschenhand haben im Judentum eine etwas andere Gewichtung wie im Christentum. Trotz aller „Gesetzlichkeit“ fehlen nämlich im Judentum die „Gesetzlichkeit“ und der Dogmatismus zum Schriftgut. Es kann über alles Gestritten und wenn nötig den Bedürfnissen angepasst werden, OHNE dass dabei die Schrift ihre Autorität verliert! Weil nämlich die Quintessenz immer die gleiche bleibt Gott! Der Mensch lebt nicht durch die Schrift, die Schrift lebt durch den Menschen, denn wir sind es, die diese Schrift lebendig halten, indem wir sie erfüllen und mit Gottes Ratschluss auffüllen! Das ist der Maßstab.Warum ist das NT Menschenwerk, völlig verändert, die Thora aber göttlich und richtig so? Wie kommt man auf diese unterschiedliche Bewertung?
Samu
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