Dhimmitum in jüdisch-christlichen Beziehungen
Wenn wir das Dhimmitum als singuläre Kategorie der menschlichen Geschichte und Erfahrung auswerten, deren juristische und theologische Ausdrücke sich über riesige Zeiträume und Länder ausdehnen, sollte wir in der Lage sein in der vergänglichen Gegenwart die Achsen, Mittler und Grundlagen ihrer Projektion in die Zukunft zu erkennen. Wir sahen, wie die heidenchristlichen Kirchen eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der Grundlagen des Dhimmitums, was sich in dessen Ersetzungsprinzip in einem diskriminierenden Gesetzeskorpus materialisierten. Ähnlich aktivierte die Zusammenarbeit gewisser klerikaler Strömungen mit islamischen Mächten im Verlauf der Geschichte die Zerstörung der politischen christlichen Macht.
Das Aufkommen des Zionismus zementierte eine opponierende islamisch-christliche Allianz, obwohl die Motivation und die Folgen des Antizionismus trotz vieler Gleichheiten für jede der beiden Parteien andere sind. Wir werden hier die marcionistischen Abweichungen und die Verbreitungsnetzwerke des Dhimmitums anführen, die vom Antizionismus im Christentum erzeugt werden. Ihre wesentlichen Teile werden in der Kampagne der arabisch-palästinensischen Kirchen gegen Israel und der Leugnung von Israels historischem Erbe am Land und an Jerusalem deutlich.
Die Politik der arabisch-palästinensischen Kirchen gegenüber Israel orientieren sich in drei unterschiedliche Richtungen:
1) Marcionismus: Die Kirche lehnt ihre Wurzeln im Judentum ab und übernimmt die islamische Vision eines arabisch-palästinensischen Jesus.
2) Gnostizismus, der der islamischen Vision eines ewigen Koran ähnelt, der schon vor der Menschheit existierte.
3) Die Ersetzung eines dämonisierten Israel, dessen Erbe und Geschichte an ein arabisches Palästina fällt, das in ein fusioniertes christliches Bild des Islamo-Christentums gegossen wird. Diese Fusion wird derart inbrünstig gewünscht, dass christliche Palästinenser es ablehnen als religiöse Minderheit in einer islamischen Mehrheit angesehen zu werden. Sie erklären den totalen Zusammenhalt mit der Mehrheit, ein charakteristisches Verhalten des Dhimmi-Syndroms, das auf Angst gründet (ein Nachahmen des Unterdrückers, damit man nicht auffällt). Es gibt sogar eine Bestimmung, die den Schutz des Dhimmis aufhebt; diese tritt ein, wenn irgendeine Hilfe von fremden Mächten erbeten wird. Das war einer der Vorwürfe, auf die man sich beim Massaker (1895-1896) und dem späteren Völkermord (1916-17) an den Armeniern berief. In den nachfolgenden Jahrzehnten rechtfertigten dieselben Vorwürfe der Verbundenheit mit dem Feind Pogrome gegen die Juden und ihre Vertreibung aus arabischen Ländern. Christliche Dhimmis sind besonders sensibel für die Gefahr, die sie während der mehr als tausend Jahre islamisch-christlicher Konfrontationen betraf.
Das erklärt die extreme Vorsicht arabischer Christen, einschließlich der Kopten, und ihre Ablehnung von Hilfe von außen. Der einzige Weg die eigene Lage zu verbessern ist es, den Westen dazu zu bringen, die Forderungen der Umma zu befriedigen; sie selbst werden Kanäle des Dhimmitums und seine Botschafter in den westlichen Ländern. Die Unterwerfung gewisser Geistlicher unter islamische Politik ist eine bekannte historische Tatsache, die in muslimischen Kreisen geschätzt wird. Zanjani, ein iranischer Jurist, lobt die Zusammenarbeit der Prälaten bei der Verkündigung und Stärkung des Islam. Er betont auch die Nützlichkeit der Dhimmi-Minderheiten bei der Werbung für islamische Interessen unter den Völkern.4
Marcionismus und Dhimmitum sind zwei unterschiedliche Prozesse, aber im Kontext des palästinensischen Arabertums ergänzen sie sich. Das marcionistische Prozedere trennt das Christentum von seinen jüdischen Wurzeln, indem ein völliger Abriss vom Ersten Testament vollzogen wird. Bei einem Vortrag 1987 in Paris rief Vater Youakim Moubarak zur Wiederherstellung der Kirche von Antiochia auf, die er als Anspruch in der universellen Kirche „unseres Rufs als Christen“ definierte, der „aus den Nationen geboren und vom Judentum und seinem Gesetz befreit ist... Das ist es, was unsere Väter die ‚Wirtschaft des Mysteriums’ nannten. Sie ersetzt die Theologie, die als ‚Geschichte der Rettung’ bekannt ist, die im prokrustischen Bett der ‚jüdisch-christlichen Tradition’ eingesperrt ist.“5
Monsignore Georges Khodr, griechisch-orthodoxer Metropolit von Mount-Lebanon, sagte bei seiner Rede auf demselben Kolloquium, dass die Kirche von Antiochia weiterhin bestätige, dass die evangelistische Botschaft nicht auf „irgendein Durcheinander zum Alten Testament und seinen zeitgenössischen zionistischen Abweichungen“ reduziert werden könne. Er erklärte: „Kein Wort der Rettung wird aus unserem Mund kommen ohne die ungebundene Liebe für den muslimischen Menschen.“6
Dhimmi-Prälaten proklamieren, dass die Befreiung des Evangeliums von seiner jüdischen Matrix der universellen Kirche die Liebe für den arabischen Menschen und für seine Befreiung bringen würde. Dieser antiochische Marcionismus, entzündet mit Liebe für die Araber, entwickelte sich unter der arabisch-palästinensischen Geistlichkeit innerhalb eines Prozesses der Hinzufügung des Christentums zu den arabischen Wurzeln. Vater Raid Abusahlia, Kanzler des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, legt ausführlich diese Argumente in seiner Betrachtung „Olivenzweig von Jerusalem“ dar, die nach der Wiederaufnahme des palästinensischen Jihad im Oktober 2000 veröffentlicht wurde. Für Vater Abusahlia sind die Ursprünge des palästinensischen Christentums und konsequenterweise der gesamten Christenheit im Arabertum eines palästinensischen Jesus zu finden. Die Christenheit hat das Recht in Palästina zu sein, denn die Christenheit – und nicht Israel – ist der Erbe der Propheten, Apostel und Heiligen. Dieser arabisch-christliche Ursprung hat seine Wurzeln im Erscheinungsfest Epiphanias: die frommen Männer versammelten sich zu Pfingsten in Jerusalem, jeder sprach seine eigene Sprache, einschließlich Arabisch.7 Aber diese frommen Männer waren allesamt Juden, die aus vielen Orten kamen, auch Arabien, um das jährliche Fest der Erneuerung von Israels Bündnis zu feiern. Die Bestätigung der historischen Rechte des Christentums im Heiligen Land, verbunden mit der Ablehnung der Rechte Israels, ist eine klare Demonstration einer fortgesetzten Ersetzungs-Theologie.
Seit diese Theologie vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1965) aufgehoben wurde, haben sich die Dhimmi-Kirchen, die der Kirche von Antiochia treu blieben, eine Theologie der Christenheit aus arabischen und nicht jüdischen Quellen zusammengebraut. Für den Kanzler des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem ist die Kirche vor Ort eingebettet in ein arabisches Zelt und eine palästinensische Identität. Dieser Arabismus ist eingekleidet in die mystischen Merkmale des Retters der Christenheit gegen Israel, dem Symbol des Bösen.
Diese Verbindung von Christenheit mit arabisch-palästinensischen Wurzeln hat einen Mechanismus bewirkt, der von Alain Besançon – wenn auch in einem anderen Zusammenhang als „perversa imitatio“ definiert wurde, als perverse Imitation: eine Kopie jüdischer Geschichte wird auf einer arabisch-palästinensischen Version derselben aufgebaut, was Besançon als „Lügenpädagogik“ beschreibt.8 Die arabischen Palästinenser, Erben und Symbol des arabisch-palästinensischen Jesus, ersetzen das jüdische Volk durch sich selbst, so dass Juden nicht die Nicht-Existenz gestoßen werden. Arabische Palästinenser bedienen sich der islamisch-christlichen Christlichkeits-Verschmelzung eines durch Israel gekreuzigten Palästinas; dieses Konzept wird in ihrem Krieg gegen die Juden ständig wiederholt. Christliche Antizionisten wenden Begriffe wie „Kolonisatoren“, „Kolonisierung“ und „Besatzung“ auf die Israelis in deren eigenem Land an; das bringt mit sich, dass die natürlichen Rechte der Juden an ihrer historischen Heimat entsprechend des Ersetzungsprinzips auf das arabische Volk Palästinas übergingen. Die Wiedererrichtung Israels in seinem eigenen Land ist genau deshalb „eine Ungerechtigkeit“, weil sie dieses Prinzip übertritt. Wir werden hier aufzeigen, wie ungleich und unpassend westliche Konzepte von Kolonisation sind, wenn sie in den islamischen Kontext von Dhimmi-Völkern übernommen werden, denen ihr Land und ihre Identität durch einen imperialistischen Jihad weggenommen wurden. Mehr noch: Es ist angemessen anzuführen, dass Palästina zu einigen Zeiten dem hanbalitischen Brauch des muslimischen Gesetzes unterworfen war, das ist das Gesetz der Taliban. Es ist eine Tatsache, dass die Unterschiede zwischen den vier sunnitischen Bräuchen minimal sind, wo es um Jihad und Dhimmitum, d.h. Ungläubige, geht.
Das Ersetzungs-Prinzip hat nicht dieselben Auswirkungen für die Christenheit wie für den Islam, denn der Islam wendet dasselbe Prinzip auf die Christen an. Nach der Darstellung muslimischer Theologen kam der Islam nicht erst im 7. Jahrhundert mit Mohammed in die Welt, nach Judentum und Christentum; der Islam geht bis in die Ursprünge der Schöpfung zurück. In diesem theologischen Kontext waren Adam und Eva, Abraham, Mose, die Propheten und Könige Israels, Jesus, Maria und die Apostel allesamt Muslime. Jesus, ein muslimischer Prophet, soll den Islam bekannt haben. Mit anderen Worten: Jüdische und christliche heilige Geschichte vor Mohammed ist in Wirklichkeit islamische Geschichte, die im Koran richtig erzählt wird. Die Bibel der Juden und Christen wird als Gemenge gefälschter Folklore abgetan; das einzig wahrhaftige Original ist im Koran zu finden. Das Ersetzungsprinzip wird in der Verpflichtung zum Jihad gegen Ungläubige und ihre Unterwerfung unter die Gesetze des Dhimmitums – für Juden wie Christen gleich – verwirklicht, bis sie konvertieren.
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