Die richtige Füllung

Ein König hatte drei Söhne. Da er alt wurde und wusste, dass er bald einen seiner Söhne zum Nachfolger bestimmen musste, rief er alle drei zu sich. „Ihr müsst an einem Wettstreit teilnehmen, damit ich herausfinde, wer mein Königreich regieren soll. Ihr habt einen Monat Zeit, um meinen Weinkeller zu füllen – womit ihr wollt. Wer ihn ganz füllt, wird mein Erbe.“

Der König und seine Söhne beschlossen, nach dem Alter vorzugehen. Der älteste Sohn sollte den Keller zuerst füllen. Er dachte lange nach, dann entschied er sich für Steine. Jeden Tag sammelte er stundenlang Steine im Garten, in der Stadt und auf den Feldern. Er sammelte Felsbrocken und Kiesel und ließ sich Marmor und Alabasterbocken, Wetzsteine und Feuersteine bringen. Der Keller begann sich mit Steinen aller Formen, Größen und Farben zu füllen. Bald waren 30 Tage vergangen, und der König ging in seinen Weinkeller. Um Mitternacht wurde die Tür geschlossen und das Fenster geöffnet. Der König schaute hinein, sah sich um, nickte und sagte lächelnd: „Sohn, du hast gute Arbeit geleistet. Der Keller ist voll mit Steinen. Aber wegen ihrer Form ist viel Platz zwischen ihnen, und darum ist der Raum nicht wirklich voll. Immerhin liegt du vorläufig in Führung.“

Am nächsten Morgen war der mittlere Sohn an der Reihe. Er sammelte helle und dunkle Federn von Pfauen und Raben. Er warf ganze Truthähne in den Keller, um ihn zu füllen. Tagaus, tagein ging er in die Stadt und kaufte alle Federn, die er kriegen konnte. Am letzten Tag ging der König erneut in den Keller. Man schloss die Tür und öffnete das Fenster. Der König schaute hinein und lächelte breit. „Du hast meine Erwartungen übertroffen. Aber man kann Federn immer nach unten drücken, um noch mehr Platz zu schaffen. Dennoch hast du deinen Bruder besiegt.“

Am nächsten Tag bei Sonnenaufgang machte sich der jüngste Sohn ans Werk. Seine Brüder schauten neugierig zu. Würde er den Keller gründlicher füllen als sie? Aber der junge Mann betete und studierte nur. Es schien ihn nicht zu stören, dass seine Zukunft auf dem Spiel stand. Am nächsten Tag und die ganze erste Woche lang änderte sich nichts. In der Mitte der zweiten Woche tuschelten die beiden älteren Brüder: „Er arbeitet nicht an dem Projekt. Offenbar ist es ihm egal.“ – „Glaubst du, er versteht, wie wichtig der Wettbewerb für ihn ist?“ Sie beschlossen, mit ihrem Vater zu reden. Vielleicht konnte er seinen Jüngsten ermuntern, endlich aktiv zu werden. Als der König sie angehört hatte, ließ er den jüngsten Sohn rufen.

„Mein Kind, du bist viel jünger als deine Brüder“, sagte er. „Wenn du eine weitere Woche brauchst, sind wir bereit, sie dir zu gewähren.“ Zum Erstaunen des Königs erwiderte der Sohn: „Vater, ich danke dir. Aber ich brauche keine zusätzliche Woche. Mir genügen 30 Tage, und ich werde dich nicht enttäuschen.“

Der König und seine älteren Söhne redeten nicht mehr über die Sache, aber alle waren aufgeregt, als der letzte Tag des Monats anbrach und der jüngste Sohn immer noch nicht mit der Arbeit begonnen hatte. Kurz vor Mitternacht betrat er den Keller mit einem kleinen Sack. Um zwölf Uhr verließ er den Raum und schloss langsam die Tür. Der König schaute durchs Fenster.

Verwundert sahen die Söhne, dass er breit lächelte. Der König rief die zwei älteren Söhne zu sich, damit auch sie einen Blick in den Keller werfen konnten. „Lieber Sohn“, sagte der König mit Tränen in den Augen, „das Licht, das du in den Keller gestellt hast, kann ihn nicht vollständiger füllen, als die Freude mein Herz füllt. Mögest du viele glückliche Jahre lang mein Erbe sein!“


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