„ZAW – Befiehl!“
3. Mose 6,1 - 8,36; Jeremia 7,21 - 8,3

Ohne Reue kein Opfer

In den ersten beiden Wochenabschnitten des 3. Buches Mose, „Wajikra“ und
„Zaw“, werden die verschiedenen Arten von Opfern beschrieben, wobei die
Schabbatlesung „Zaw – Gebiete! (oder: Befiehl!)“ ausführlich sechs der
Opferdienste beschreibt. Zuerst gebot Gott das Ganzopfer, darauf folgten das
Speiseopfer, das Sühneopfer, das Schuldopfer, das Einweihungsopfer und zum
Schluss das Mahlopfer, zu dem auch das Dankopfer gehört.

Der Ewige gebot Mose auf dem Berg Sinai, am Tag ihre Opfer darzubringen
( 3. Mose 7, 38 ), denn am Tag ist der Mensch wach. Dazu sagt Rabbiner R. S.
Hirsch: „Nur so kann er mit klarem und willensfreiem Bewusstsein Gott mit dem
Ausdruck der Weihe näher kommen.“

Nach Bibel und Talmud ist die Institution des Opfers ebenso alt wie das
Menschengeschlecht. Das Opfer ist ein Akt der Huldigung des himmlischen
Herrschers, ein Zeichen der Unterwerfung und der Dankbarkeit für seine Gnade.
Außerdem ist das Opfer ein Akt der Aussöhnung mit dem Schöpfer.

Neben den öffentlichen Opfern gab es aber auch private, die z.B. aufgrund eines
Gelübdes dargebracht wurden. Die Wirksamkeit des Opfers wird in der Thora
genau begrenzt: es sühnt – mit nur einzelnen Ausnahmen – lediglich
unabsichtlich begangene Sünden, sofern kein Mensch zu Schaden gekommen ist.

Jüdischen Gelehrten zufolge kann eine bewusste Sünde durch kein Opfer
ausgelöscht werden. Für sie muss der absichtlich Sündigende vom Gesetz
bestraft werden oder durch Reue Vergebung erlangen. In der Thora gibt es für
absichtliche Sünden keine Sühne.

Um das Verhältnis zwischen Opferritual und der Erfüllung moralischer Pflichten
besser zu verstehen, können folgende Opfer als Beispiele dienen:
Die Speiseopfer von Kain und Abel in 1. Mose 4, 3-5, und das Ganzopfer, dass
Noah nach der Sintflut Gott zum Dank darbrachte (1. Mose 8,20).

Abraham wurde von Gott auf die Probe gestellt und sollte seinen Sohn Isaak, den
einzigen, den er lieb hatte, opfern. Dank seiner Gottesfurcht durfte Abraham
jedoch statt seines Sohnes einen Widder als Brandopfer darbringen
(1. Mose 22,13). Als Israel (Jakob) nach Ägypten zog,
brachte er in Beerseba Schlachtopfer dar (1. Mose 46,1).

Im Lauf der Zeit beobachteten die Propheten jedoch eine verhängnisvolle
Tendenz: das Volk Israel begann das Opfer abergläubisch zu überschätzen und
es mit Gerechtigkeit, Erbarmen und Reinheit gleichzusetzen. Gegen diese
Opferriten, die nichts mehr mit Gott zu tun hatten und daher als Gottlosigkeit
galten, ermahnt Amos das Volk: „Denn wenn ihr mir Brandopfer und eure
Speiseopfer darbringt, so hab ich kein Wohlgefallen daran, und die Dankopfer
von euren Mastkälbern mag ich nicht ansehen“ (Amos 5,22). Und Jesaja erklärt
selbst das vollkommenste Ritual für wertlos und blasphemisch, wenn der Akt
nicht mit rechtem Handeln einhergeht.

„Wozu soll mir die Menge eurer Schlachtopfer dienen?“, fragt der Herr
„überdrüssig bin ich der Brandopfer von Widdern und des Fettes der
Mastkälber“… (Jesaja 1, 11-17). Wenn das Entscheidende nicht die innere
Haltung und Liebe zu Gott ist, sondern nur eine äußere Handlung vollzogen wird,
hat das ganze Ritual keinen Sinn und Wert.

Die menschliche Vernunft glaubt, dass das Übel den Übeltäter verfolgt.
Daraufhin suchte man bei den Propheten und in der Thora eine Antwort auf die
Frage: „ Wenn ein Mensch sündigt, was soll seine Strafe sein?“ Die Propheten
antworteten: „Die Seele, die sündigt, die soll sterben“ Die Thora schreibt: „ Er
bringe ein Schuldopfer und seine Sünde wird ihm vergeben werden.“

Gott antwortete: „ Er bereue und es wird ihm vergeben werden.“
Von da an wird die Reue zur einzigen Bedingung aller Sühne und aller göttlichen
Sündenvergebung. Die Absicht einer Reue muss im Herzen beginnen, erst
danach kann daraus die Bereitschaft werden, ein Schuldopfer zur Sühne und
Vergebung der Sünde darzubringen.

Als Jesus in der Synagoge von Kapernaum vom Essen und Trinken seines
Fleisches (Brot) und Blutes (Wein) sprach, haben ihn viele im Volk
missverstanden.

„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des
Menschsohnes esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch“
(Johannes 6,53). Damit meinte Jesus das gleiche, was Gott durch Mose den
Priestern in 3, Mose 8,31 geboten hatte: „Esst vom Fleisch, das ihr opfert.“

Keine Opferhandlung war vollständig, solange die Priester nicht vom Fleisch des
Opfers gegessen hatten. „Durch eine einzige (Jesu) Darbringung hat er die,
welche sich heiligen lassen, für immer ans Ziel gebracht“ (Hebräer 10,14).
Was für die Priester üblich war, gebot der Messias den Gläubigen: von seinem
Opfer zu essen, denn sein Opfer macht alle anderen Sündopfer überflüssig.

Dazu sagen Rabbiner im Midrasch (rabbinische Bibelauslegung), dass in der
messianischen Zeit, wenn alle anderen Opfer nicht mehr nötig sind, nur noch das
Dankopfer gültig bleibt.

In unseren Tagen ist viel vom Bau des dritten Tempels die Rede, heißt es doch in
Sacharja 1,16: „Darum spricht der Herr also: Ich habe mich Jerusalem voll
Erbarmens wieder zugewandt: mein Tempelhaus soll in ihm wieder aufgebaut
werden.“

Damit verbunden taucht die Frage auf, ob dann wieder die Tieropfer eingeführt
werden. hier aber lautet die Antwort der jüdischen Schriftgelehrten und
Tempelbauplaner, dass dann, wenn der dritte Tempel steht, auch der Messias da
ist. Und weil dann der Messias da ist, erübrigen sich alle Opfer mit Ausnahme des Dankopfers.

Dies weckt in uns eine Assoziation: Wir sehen wie Johannes im Jordan
bußfertige Sünder tauft. Plötzlich sieht er Jesus kommen und ruft: „Seht, das ist
Gottes Lamm, das die Sünde der Welt hinweg nimmt!“ (Johannes 1,29).

So stand am Kreuz neben lateinisch und griechisch in hebräisch:

„Jeschua Hanozri Wumelech Hajehudim“
(Jesus der-Nazarener und-König der-Juden).

Formt man daraus das Akronym (wie in Latein INRI), so stand am Kreuz der
unaussprechbare heiligste Privatname Gottes: JHWH, der allein vom
Hohenpriester im Allerheiligsten ausgesprochen werden durfte.

So war Jesus das Lamm, das Gott als Opfer (Jesaja 53) für alle, die zu seinem
Volk und zu seiner Familie gehören, darbrachte.


Ludwig Schneider