Die Frage nach Wahrheit enthält also die Frage nach dem Sinn des Lebens!
Die Juden sind hier weiter als die philosophischen Römer und Griechen. Sie gehen gleich das Wesentliche an! Manche kommen zum Herrn und fragen:
"Meister, welches Gute soll ich tun, auf daß ich ewiges Leben habe?" - s. Mt. 9:16; Mk. 10:17; Lk. 10:25; 18:18
"Wahrheit" heißt hier: vernünftiger, Herz und Geist befriedigender Sinn kann nicht in einem Leben liegen, über das der Tod herrscht und als ewiger Abschluß unseres Mückendaseins verstanden werden muß. Darum ist die Frage nach Wahrheit eigentlich eine Frage nach der Aufhebung des Todes - nach ewigem Leben.
Pilatus aber stellt keine Frage; er gibt die A n t w o r t ! Er stellt indirekt eine Behauptung auf, die sagen will: Was ist schon Wahrheit! Wahrheit gibt es nicht! Denn d a s ist das Endresultat aller heidnischen Wahrheitsforschung. Es ist festgestellt worden: Einen vernünftigen Sinn kann man in diesem Leben nicht finden - es sei denn, daß es eine unsterbliche Seele gibt, die i m Menschen existiert. So, wie es z.B. die großen griechischen Philosophen Plato und Sokrates lehren. Aber ob an dieser Behauptung wirklich etwas ist - wer kann es wissen?
So ist es. Dieser Gedankengang hängt in der Luft. Er wäre längst als ein Hirngespinst vergessen worden, wenn er nicht irrigerweise mit der Lehre Jesu Christi in Zusammenhang - und dadurch konserviert und verbreitet vorden wäre. Pilatus ist den Tatsachen näher: Wir kennen keine Wahrheit! Wir wissen keinen Weg zum Leben. Alles ist eitel und ein Haschen nach Wind. Unser Lebensschifflein treibt ohne Steuer auf dem Ozean dahin!
Beachte: Ein Jude hätte das Wort: "Was ist Wahrheit?" nie aussprechen können. Es ist der Heide, der diese trostlose Feststellung macht. Aber wie konnte ein Mensch im Anblick der sich stets verjüngenden und sich erneuernden Natur, des allenthalben in Überfülle überquellenden Lebens, der ewig reisenden Sterne auf den Gedanken kommen, daß es eine ewig fließende Lebensquelle n i c h t gebe? Armselige Philosophie!
Aber etwas ist wahr. In der Ablehnung der Wahrheit lag ein wichtiges (wenn auch sicherlich unbewußtes) Geständnis vor: Wahrheit kann der Mensch nicht ermitteln! Die Wahrheit, die den Weg zum ewigen Leben weist, die Wahrheit vom ewigen Leben - sie ist dem Menschen unzugänglich. Sie muß gegeben oder besser: sie muß geoffenbart werden, von Gott geoffenbart werden, oder aber sie bleibt uns ewig verschlossen. Die Wahrheit empfangen wir a u s G n a d e, oder wir Empfangen sie nicht. Und diese Offenbarung setzt einen gnädigen Gott, einen des Menschen sich erbarmenden Gott, einen liebenden Gott voraus.
Aber warum hat der Ewige die Menschen so lange im Dunkeln gelassen? Und warum läßt er noch so viele im Dunkel?
"So spricht der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt und dessen Name der Heilige ist: Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum, und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen. Denn nicht ewig rechte ich, und nicht für immer zürne ich." - Jes. 57:15,16
Da hören wir, daß Jhwh dem Menschen zürnt. Der M e n s c h ist es, der das Band zwischen sich und dem Schöpfer zerrissen hat; er ist es, der aus der Wahrheit und der Gottesnähe in die Irre ging. Es ist der Sohn, der vom Vater seine Erbschaft forderte und in die Fremde zog und sein Gut vertat. Jetzt ist er bei den Träbern der Schweine angekommen und denkt noch immer nicht daran, heimzukehren zum Vater, um zu bekennen: "Vater, ich habe gesündigt vor dem Himmel und vor dir." So sehnlich auch der Vater auf den verlorenen Sohn wartet.
Wenn auch das Gleichnis vom "verlorenen Sohn" (Lk. 15:11-32) sich zunächst auf das Volk Israel bezieht, so ist - sicherlich nicht zu Unrecht - in dem "verlorenen Sohn" auch Gottes erster Sohn, Adam, zu erkennen, dessen Nachkommenschaft die ganze gottentfremdete Menschheit ist.
Und nun - noch immer ist der "Sohn" selbstbewußt und meint, sich ohne den Vater im Leben zurechtzufinden. Es braucht D e m u t, um zu erkennen: Für den Menschen gibt es keine Wahrheit, es sei denn, sie werde ihm von oben gegeben - sie werde ihm geoffenbart.
Die Welt von heute scheint von dieser Erkenntnis sehr weit entfernt zu sein. Das Wort Gottes ist ihr ein Legendenbuch, von Menschen verfaßt, ein Flickwerk voller Widersprüche und Unmöglichkeiten. Wissenschaft und Technik sind die Götter unserer gegenwärtigen Zeit; aber der Friede scheint dennoch ein unlösbares Problem zu bleiben. Ratlosigkeit der Politiker und Wirtschaftsexperten erzeugen Furcht und Hoffnungslosigkeit in der Bevölkerung. Warum?
"Stolz geht dem Zusammenbruch und Hochmut dem Fall voraus." (Spr. 16:18) Ein weises Wort - und ein wahres Wort! "Gott läßt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten." (Gal. 6:7) Erleben wir nicht die Wahrhaftigkeit dieses Ausspruches in hundert, ja, in tausend Unsinnigkeiten des täglichen Lebens?
Ein Jude hätte niemals fragen können: "Was ist (schon) Wahrheit?" Er war ja im Besitz geoffenbarter Wahrheit. Zu ihm hatte sich der gnädige Gott herabgeneigt. Ihm waren die Väter und die Sohnschaft und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Dienst und die Verheißungen. - s. Röm. 9:4,5
Die Väter Abel, Henoch, Noah hatten Gottesoffenbarungen empfangen noch vor Abraham, Isaak, Jakob und auch Mose. S i e hatten Gott geglaubt und gehorcht, und deswegen waren sie als gerecht gerechnet worden. "Und er (Abram) glaubte Gott; und er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit" - l. Mos. 15:6
Der Erlösungsplan Gottes bestand ja längst vor Grundlegung der Welt. Und auf Grund des damals noch zukünftigen Lösegeldes konnte dem, der ein offenes Ohr für Gott hatte, die Rechtfertigung zugerechnet werden.
Durch das ganze Wort Gottes hindurch - durch die Schriften mannigfaltigster Art, die während Jahrtausenden von vielerlei Verfassern niedergelegt wurden, zieht sich die Verheißung der Erlösung durch Gott. Nie lesen wir so etwas in der Schrift, daß - als Folge menschlichen Fortschritts - der "homo sapiens" schließlich der Not des Lebens und dem Tode entrinnen und sich zum allmächtigen Herrn der Natur und der Welt aufschwingen werde.
Von seinem Schöpfer durch die Sünde getrennt, ist der Mensch dem Tode verfallen. Aber Gott wird "nicht immerdar rechten;" er ist barmherzig. Er hat zu Seiner Zeit einen Erlöser gesandt, der die Schuld des Sünders (Adam) bezahlt hat, um der ganzen Menschheit das Leben wieder geben zu können.
Das ist die W a h r h e i t, die in Gleichnissen, in Opfersymbolen, in Stiftshütten-Sinnbildern enthalten ist. Auch in gelebten Vorbildern, wie z.B. der Opferung Isaaks, dann in der prophetischen Schau von Jesaja Kap. 53 und vielen anderen Schilderungen tritt dem "Sehenden" und "Hörenden" diese göttliche Wahrheit entgegen. Und: "Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohne." - Hebr. l: l
Wahrheit ist Offenbarung, und ohne Glauben wird sie nicht erkannt. Zuerst sind es Einzelne, die der Allmächtige durch Offenbarung der Wahrheit auszeichnet. Und was bedeutet die Wahrheit für sie? Nicht mehr und nicht weniger als diese zugerechnete Gerechtigkeit, die die Grundlage ist für die große Hoffnung auf Vergebung der Erbschuld - die Hoffnung auf Leben.
Zwar sanken sie alle noch ins Grab, aber nicht ohne die feste Zuversicht auf eine Auferstehung. Sie wußten, daß in der Wahrheit, die Jhwh Gott gibt, nichts weniger als Leben, lebendiges Leben enthalten ist. Und wenn ein Abraham im Tod bei seiner Frau Sarah ruhen wollte und Jakob sterbend den Wunsch aussprach, daß er nicht in Ägypten, sondern im Lande der Väter begraben werden möchte, (wie dann auch sein Sohn Joseph in heiliger Erde Kanaans ruhen wollte), so zeigt das eben, daß diese alle eine Auferstehung an der Stätte ihrer Sehnsucht erwarteten. Sie alle starben nicht mit dem trostlosen Seufzer: "Was ist (schon) Wahrheit?"
Der Glaube ist die Brücke von diesem todgeweihten Dasein zum e w i g e n Leben.
Aber nicht nur zu Einzelnen hat sich Gott herabgeneigt, ihnen Seinen Namen zu offenbaren. Er will sich ja dereinst aller erbarmen, auch der "Schwerhörigen." Und das zeigte Er, indem er ein Bündnis mit einem ganzen Volk schloß; mit einem Volk, das ihn als solches nicht suchte, weil es von Gott ferne war: Israel. Und weil es ein sehr menschliches, ein ganz und gar ungebundenes Volk war - nicht in der Lage, geistig zu denken und die Stimme des Höchsten zu hören - berief der Ewige einen Mittler, der sich zwischen Ihm und den Kindern Israel verwendete.
Moses war ein Begnadigter Gottes; er war Werkzeug und Vorbild zugleich in dem gewaltigen Vorhaben des Allmächtigen. Um Moses willen erbarmte sich Gott des Volkes, dem Mose angehörte. Denn dieses Volk glaubte nicht in den lebendigen Gott; es glaubte nur an das, was es sah. Es glaubte an Moses.
Hätte Israel geglaubt (und es wäre doch nicht schwer gewesen, zu glauben - nach all den Wundern, die Gott für es tat) so hätte es keines Gesetzes bedurft. Aber weil es die Stimme Gottes nicht hörte, mußte Moses die Gebote Gottes aufschreiben. Denn auch er ging den Weg allen Fleisches. Israel wäre ohne Wegweiser geblieben in der Wüste dieses Erdenlebens.
So sind Moses und das Gesetz eng miteinander verknüpft. Das Gesetz ist sozusagen der Vertreter Moses nach dessen Tod. Es wurde zu einer Einrichtung für jene, die keinen Zugang zu Gott haben konnten, weil es ihnen an Glauben fehlte.
Die Juden glaubten an Mose; aber an Gott zu glauben wäre mehr gewesen. Ebenso gibt es sog. Christen, die an ihre Kirche als "heilige" Institution glauben; aber an Gott oder an Jesus glauben sie nur, weil die "heilige" Kirche dieses lehrt. Die meisten Gläubigen haben einen solchen "mittelbaren" Glauben. Er ist aber nicht einmal so gut wie der jüdische. Denn das Gesetz war wenigstens W a h r h e i t, die Kirchenlehren aber enthalten viel Irrtum.
Nun hatte Israel aber auch keinen großen Gewinn mit dem Gesetz. Es war zwar Wahrheit und zeigte einen Weg zum Leben, der lautete: "Und meine Satzungen und meine Rechte sollt ihr beobachten, durch welche der Mensch., w e n n er sie tut, leben wird. Ich bin Jhwh." (3. Mos. 18:5) Aber was nutzte es dem Israeliten, diesen Weg zu gehen, da er für ihn ungangbar war?
Konnte der Israelit gerechtfertigt werden vor Gott? Er konnte es nur durch das Halten der Gebote des Gesetzes. Aber diese sind vollkommen. Wie aber kann ein unvollkommener Mensch vollkommene Werke vollbringen?
Das Gesetz ist Wahrheit - und es ist von Gott; aber es war "Wahrheit zum Tod", es war ein Fluch. Dennoch war es auch ein Segen, denn der Fluch wurde gemildert durch die Verheißung der Gnade und des Erlösers.
Eigentlich sollte man sagen: das Gesetz war nicht die Wahrheit selbst; es war der Schatten, ein Vorausschatten der Wahrheit. Es war eine Vorbedingung für die Erkenntnis und Annahme der Wahrheit: es war "ein Zuchtmeister auf Christus hin." "Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden." - Joh. 1:16,17
Den Weg zum Leben, den Weg zum ewigen Leben hat uns Gottes Sohn, Jesus Christus, eröffnet Also ist mit ihm d i e Wahrheit gekommen, wenn wir unter "Wahrheit" das verstehen, was zum ewigen Leben führt. Mit nichts weniger als mit ewigem Leben kann sich das suchende Herz zufriedengeben. Und jetzt eben, da Jesus dem Pilatus antwortet: "Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, auf daß ich der Wahrheit Zeugnis gebe" - eben jetzt, da das ewige Leben in Christo sichtbar geworden ist, spricht der Heide das Wort: "Was ist Wahrheit."
Was für einen Schlag gibt das den Tatsachen ins Gesicht! Den Tatsachen der Heilung Blinder, Tauber, Lahmer und Aussätziger; den Tatsachen der Auferweckung Toter. Verständnislos und blind steht die Welt - Juden wie Heiden diesen Beweisen göttlicher Lebengebung durch den Gottessohn gegenüber.
"I C H bin der Weg und die Wahrheit und das Leben." - Joh, 14:6
Jesus ist gekommen, um Frieden zu stiften zwischen Gott und den Menschen.
Er ist gekommen, um die Schuld zu bezahlen, die seit dem Sündenfall auf der irdischen Schöpfung lastet. Er ist gekommen, um den Menschen und seine Umwelt frei zu machen. Und er ist nicht gekommen, um uns zu zeigen, wie man leben und wie man sterben soll. Wenn es so wäre, dann wären wir nicht weiter als die Juden mit dem Gesetz. Da müßte jeder bekennen: Ganz so wie Jesus kann ich nicht leben; infolgedessen kann ich auch die Billigung Gottes nicht in Anspruch nehmen. Es ist aber nicht so.
Durch sein Opfer hat Jesus die Tür zur Versöhnung mit Gott geöffnet nicht eine Tür der "Gerechtigkeit durch Werke", sondern die Tür "der Gerechtigkeit durch Glauben."
Jesus ist der Same Abrahams, in dem gesegnet werden alle Geschlechter der Erde. Nicht Israel nach dem Fleische ist dieser Same, sagt Paulus; die Verheißung spricht nicht von vielen Samen, sondern von einem: "Er sagt nicht: und den Samen, als von vielen, sondern als von einem: 'und deinem Samen', welcher Christus ist." - Gal. 3:16
Der Gläubige nun, der sich entschlossen hat, dem Herrn nachzufolgen, die Schmach Christi und sein Kreuz auf sich zu nehmen, dem gibt Gott in seiner überschwenglichen Gnade die Möglichkeit, ein "Glied am Leibe Christi" zu werden. Er wird Anteil bekommen an dem "Samen Abrahams", in dem alle Geschlechter der Erde gesegnet werden. Es sind nicht etwa viele Samen, sondern immer noch nur e i n e r; aber dieser weitet sich aus zu einem Organismus, der aus vielen Organen besteht.
Dieser Weg ist es, den Christus Jesus uns eingeweiht hat. Er führt ins Allerheiligste - er führt zur Herrlichkeit des Christus und zur "Krone des Lebens." Das ist überschwengliche Fülle des Lebens und überschwengliche Fülle der Wahrheit. Durch Christus ist eine Wahrheit geoffenbart und dem empfangenden geschenkt worden, deren volle Herrlichkeit wir in diesem Leibe n i e genügend würdigen können.
"Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht geoffenbart worden, was wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist." (l. Joh. 3:2) Leben auf höchster Stufe, göttliche Natur, ist das Teil der Überwinder.
So sehen wir nun, daß "W a h r h e i t" nicht im Bereich der menschlichen Kräfte liegt. Denn zur Wahrheit gehört ein Hintergrund, der dem Erkenntnisapparat des Menschen garnicht zugänglich ist. Bist du bereit zum Glauben und die durch Glauben geoffenbarte Wahrheit dir anzueignen? Bereit, die dargebotene Gnade Gottes anzunehmen, die auf dieser göttlichen Stufe des Lebens nur in diesem Zeitalter (Evangeliumszeitalter) angeboten wird? Denn der Nachfolger Christi darf noch mehr erkennen. Er darf wissen, daß Jhwh's Gnade nicht halt macht bei dem reuigen Sünder. Sie will das Verlorene retten - und auch die zur Erkenntnis der lebengebenden Wahrheit bringen, die Gott noch nicht gesucht haben. Der große Verführer wird gefesselt werden, auf daß er nicht mehr die Menschen täuschen und betrügen kann; und alsdann wird aus dem Wege geräumt werden, was in d i e s e r Zeit die Menschen gehindert hat, die göttliche Wahrheit zu erkennen und durch sie zum Leben zu kommen.
Ein jeder soll d a n n die Gelegenheit zum Betreten des Weges zum ewigen Leben und die Gnade zum guten Vorwärtskommen auf diesem Wege erhalten.
Und wenn dieses herrliche Ziel des Vorsatzes Gottes erreicht sein wird, werden alle die Wahrheit erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, und niemand wird mehr fragen:
W a s i s t W a h r h e i t ?
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