Im Glaubensbekenntnis Israel heißt es: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst.“

Hier wird davon gesprochen, dass die Worte des Höchsten auf deinem Herzen geschrieben stehen sollen. Worte, die also erst einmal in das Herz kommen müssen. Dann sollst du diese Worte deinen Nachkommen weiter geben. Dies alles setzt eins voraus, dass Wissen um die Dinge, von denen man weiter geben sollte.
Indem wir von Gott reden, zeigen wir einen Horizont auf, der über die angebliche Realität hinaus verweist, über das hinaus, was unmittelbar vor Augen steht und auf der Hand liegt. So halten wir den Blick offen für das, was man nicht messen, berechnen und kaufen kann. Dieses Gespür für den „Mehrwert des Lebens“ können wir umso besser vermitteln, je weniger wir Gott als fertige Antwort einsetzen; eher als offene Frage. „Gott als Geheimnis der Welt“ und nicht als Lösung eines Rätsels.

Kinder brauchen ein Grundgerüst für die eigene Gewissensbildung, für die Urteilsfindung in ethischen Fragen; Maßstäbe für das Zusammenleben in der Familie, in Kindergarten und Schule, in der Gesellschaft. Die zehn Gebote bieten bis heute ein unübertroffenes „Geländer“, zehn Angebote für ein Zusammenleben in Freiheit und Verantwortung. Religiöse Erziehung hilft in einem umfassenden Sinn dazu, dass wir uns als soziale Wesen verstehen, dazu geschaffen, in Beziehungen zu leben. „Am Du wird der Mensch zum Ich,“ hat der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber sehr eindrücklich formuliert. Nicht Narziss, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt und beziehungsunfähig wird, ist Vorbild und Ziel dieser Unterweisung, sondern der ich - starke und gemeinschaftsfähige Menschen.

Wer allerdings glaubt, Glaube sei ein Erziehungsprodukt, der irrt gewaltig. Auch die beste Erziehung bietet keine Entwicklung zum Gottesglauben, sondern lediglich eine Erziehung zu einen an erzogenen Glauben, an einen durch Lehre vermittelten und an gelehrten Gott.
Wenn wir uns Kinder Gottes nennen dürfen, dann bezeichnet das eben gerade kein Verhältnis zu Naivität oder der Unmündigkeit, sondern der liebevollen Zuwendung, eine von Vertrauen geprägte Beziehung. Kinder stecken voller Fragen und Geheimnisse. Jeder Vater, jede Mutter, jede Erzieherin weiß, dass Kinder einem geradezu „Löcher in den Bauch fragen“ können. Dabei können sie uns Erwachsene ganz schön ins Schwitzen bringen, weil sie sehr direkt und existentiell fragen: - Wer bin ich eigentlich, und wieso lebe ich? - Wo ist Gott? Was tut er? Wer hat ihn gemacht? - Warum müssen Menschen sterben? Wo komme ich hin, wenn ich tot bin? - Warum gibt es böse Menschen? Warum lässt Gott das Unrecht zu?
Kindlicher Glaube setzt das Sein voraus, doch es setzt ebenso ein Nachfragen dieses Seins voraus. Und hier ganz ungeschminkt und unverdorben, die Grundvoraussetzung für ein ehrliches Suchen und Finden. Genau darum ging es Jesus, diese existenzielle Ehrlichkeit der Kinder, ohne böse Hintergedanken oder geschminkten Höflichkeiten.
Der letzte Punkt ist, dass ein jeglicher Glaube immer dann zum Widerglauben wird, wenn er sich nicht in der Realität widerspiegelt und mit leben erfüllt ist. Hier wird spätestens jeglicher „Lernglaube“ zum Widerglaube und zur holen Phrase, zum Toten Gauben, der sich existenziell auflösen muss und keinen Bestand haben muss. Lebendiger Glaube nährt sich aus Gott und nicht aus erlernten. Genau hier liegt das eigentliche Problem, welches Kohelet schon erkannte: „Im Übrigen, mein Sohn, lass dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielen Bücherschreiben, und viel Studieren ermüdet den Leib. Hast du alles gehört, so lautet der Schluss: Fürchte Gott, und achte auf seine Gebote! Das allein hat jeder Mensch nötig. Denn Gott wird jedes Tun vor das Gericht bringen, das über alles Verborgene urteilt, es sei gut oder böse.“

Kindlicher Glaube ist ein aktiver - praktizierter Glaube.


Samu