Lieber latterrainer,
ich erlaube mir hierzu einige Gedanken zu verlieren.
Ich verstehe diese Trennung von politisch korrekt (weder im positiven Sinne demokratischer Ausprägung, noch im negativen Sinne wie ich später noch ausführen werde) und geistlicher Entwicklung / geistlichen Zuständen nicht. Die Trennung von Welt und Glauben. Ich verstehe mich als Teil dieser Welt. Daran ändert der Glaube an Gott nichts.
Politisch korrekt ist oftmals so negativ belegt und ich habe schon viel darüber nachgedacht weshalb dem so ist.
Politische Korrektheit wird oft dafür kritisiert, dass sie altes Bewährtes hinwegfegt habe. Dabei wird oft vergessen, dass die alten gesellschaftlichen Moral- und Politikvorstellungen von rückschrittlichen Menschen- und Weltbildern geprägt waren. Auch von der Angst vor den praktischen Konsequenzen individueller Autonomie und Freiheit der Menschen. Es ist ein natürlicher Vorgang, dass veraltete Normen in der Regel von alleine zusammenbrechen, wenn sie nicht mehr den Realitäten entsprechen.
Wenn ich ein Problem mit politischer Korrektheit habe, dann nicht wegen des Zerfalls des Alten, sondern vielmehr wegen der Inhalte des Neuen.
Was wird unter politischer Korrektheit verstanden?
Ganz, ganz gewiss keine Legitimierung von sexuellem Kindesmissbrauch, Fremdgehen oder andere Betrügereien. Gewiss auch nicht der Einsatz von Drohbotschaften oder solcherlei Druckmittel. Auch komische Rituale und Defizitorientierheit nicht.
Politische Korrektheit wie sie heute verstanden wird, sollte dringend hinterfragt werden, meines Erachtens aber nicht auf "Verweltlichung", sondern eher auf die gesellschaftliche Moralentwicklung.
Die sich ausbreitende neue Kultur der politischen Korrektheit basiert nicht unbedingt, oftmals viel zu wenig auf einer freieren, sprich gerechteren gesellschaftlichen Moral.
Sie bedient sich teilweise sogar noch autoritärer und tyrannischerer Methoden als die vorangegangene.
Die Autonomie und die aktive Handlungsfreiheit des Menschen werden zu wenig als grundlegend erachtet. Die Defintion von Verantwortung einseitig ausgelegt. Verantwortung beinhaltet Rechte und Pflichten!
Fehler werden oftmals vertuscht, anstatt damit umzugehen, um gute Lösungen zu finden.
Dies alles trifft aber auch auf Spätregen zu, wie ich es kenne.
Ich denke, man müsste zuerst klären, was man unter politischer Korrektheit versteht. Dieser Ausdruck wurde zunehmend zu einem wenig eindeutig aussagendem Mode-Ausdruck.
Nun noch ein paar Gedanken zur Verweltlichung:
Als gläubiger Mensch in dieser Welt lebend verstehe ich wie bereits erwähnt diese Verweltlichungsgedanken nicht. Woher kommen Verweltlichungsängste? Kleider-, Musik- und Literaturvorschriften finde ich sehr bedenklich. Welche Kriterien werden als Maßstab für richtig oder falsch angelegt? Woran orientieren sich die Kritereien und wer gibt sie vor? Zensur und Kontrolle nehmen Menschen oftmals das Selbstverständnis für sich Verantwortung zu übernehmen. Es sollte nicht darum gehen Handlungsspielraum einzuengen, sondern damit verantwortungsbewusst umzugehen.
Was sollte schlecht daran sein, wenn Frauen Hosen tragen? Was sollte Gott dagegen haben? Für mich macht es keinen Unterschied, ob Frauen Hosen oder Röcke tragen. Das ist eine Äußerlichkeit. Wichtig erscheint mir, dass man mit seinem Äußeren in der Öffentlichkeit die Schmerzgrenzen anderer nicht überschreitet. Wie heißt es so schön... die Freiheit des Einen endet da wo die Freiheit (das Recht) des Anderen beginnt...
Kleiner beiläufiger geschichtlicher Exkurs:
Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (Déclaration des droits de l'homme et du citoyen) vom 26. August 1789, Artikel 4:
„La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui : ainsi l’exercice des droits naturels de chaque homme n’a de bornes que celles qui assurent aux autres Membres de la Société, la jouissance de ces mêmes droits. Ces bornes ne peuvent être déterminées que par la Loi”.
„Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen nur die Grenzen, die den anderen Gliedern der Gesellschaft den Genuß der gleichen Rechte sichern. Diese Grenzen können allein durch Gesetz festgelegt werden.“
Eine andere Formulierung, die Oliver Wendell Holmes (1841 – 1937) zugeschrieben wird:
„The right to swing my fist ends where the other man's nose begins.“
„Das Recht, meine Faust zu schwingen endet, wo die Nase des anderen Mannes beginnt."
Das nur so nebenbei.
Zum Begriff "Weltmusik" möchte ich noch sagen, dass sich dieser in meinen heutigen Ohren sehr fremd anhört.
Homosexualität ist ein eigenes, ein sehr sensibles Thema mit dem von Kirchenseite (noch viele Kirchen inbegriffen) oftmals sehr schlecht umgegangen wird. Sehr, sehr beschämend! Es fehlt an Fachwissen und Auseinandersetzung mit menschlichen Voraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Wenn alles, was nicht der vorgegebenen Norm entspricht vom Teufel sein soll, dann fehlt es eindeutig an fachlicher Auseinandersetzung, an umfangreichem Wissen. Nicht alles, was nicht einfach zu erklären ist, ist deshalb gleich vom Teufel.
Spätregen Korrektness ist mir fremd geworden. Ich habe mich voll und ganz von dieser finsteren Kontrolle, von deren Defizitschiene und Misstrauen befreit. Heute trage ich Verantwortung für mich und mein Leben.
Einer politisch korrekten Misstrauenskultur setze ich eine eigene Vertrauenskultur entgegen. Das möchte ich ausstrahlen und wenn andere wollen, können sie sich davon anstecken lassen.
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