Abschlussbetrachtungen zum Thema Hellenismus und Christentum

Teil 1: Eine Erblast der Geschichte
Teil 2: Satan ist an allem Schuld



Teil 1

Ohne Zweifel, Geschichte kann eine ganz furchtbare Erblast für spätere Generationen sein. An der jüngsten Deutschen Geschichte, die einst von einem dritten Reich träumte, zeigt sich, wie diese bis in unsere Zeit uns prägt. Und hier ist nicht nur der Focus auf Deutsche begrenzt, sondern auf alle Menschen, egal ob in Europa, Amerika, Asien, Afrika oder sonst wo. Der 2. Weltkrieg hat nicht nur Landesgrenzen neu gezogen, sondern hat sich geschichtswirksam im Bewusstsein der Menschheit eingeprägt.

Geschichte ist immer Geschichtswirksam für spätere Generationen. Wie ein Brandsiegel tragen wir Geschichte in uns. Geschichte ist Träger unserer Kultur, unseres Brauchtums, unserer religiösen Vorstellungswelten, ja sie ist Träger unserer Identität und unseres Selbstverständnisses als Volk oder Nation. Wir selbst sind nicht nur Bestandteil von Geschichte, sondern wir selbst sind Gestalter von Geschichte.
In seiner unvorstellbaren Schöpfungskraft gedachte „Gott“ einst uns Menschen diesen Part zu, wir sollen Geschichtswirksam sein. Unser Verhältnis zu Gott ist Geschichtswirksam, wir schreiben Geschichte mit Gott – im wahrsten Sinn des Wortes. Die Unzahl heiliger Büchlein sind allein schon dafür Zeugnis genug.
Doch „schreibt“ Gott mit uns Menschen auch Geschichte? Ist Gott geschichtswirksam, wie nur allzu bereitwillig alle Religionen bekennen und ihr Dasein auf Gott zurückführen? Ist der Zeitlose, Unfassbare, Allmächtige „DASEIENDE“ wirklich Bestandteil unserer Geschichte, unserer Entwicklungen, unserer Religionen, unseres Handeln und Tun, unserer Kriege und Friedenschlüsse, unserer Irrungen und Verwirrungen, unserer Barmherzigkeit und Liebesfähigkeit, etc? Ist Gott mitschuldig an dem elenden Versagen unserer Menschheit, welche sich wohl ehrende ethische und religiöse Ziele gesetzt hat und doch kläglich im Alltag an diesen scheitert? Ist Gott mitschuldig an der Verarmung des Großteils der Menschheit, der Korruption von Gesellschaftssystemen, der Unmenschlichkeit in sog. Verteilungskampf um die Ressourcen der Welt, an kriegslüsternen Treiben von Regierungssystemen oder Diktatoren, an Religionskriegen und Glaubenskämpfen, an Hochreligionen und ihren Machtgelüsten, etc?

Man möchte vorab gleich Nein sagen, Gott in diese Menschheitsgeschichte zu integrieren, man möchte diesen „heiligen Gott“ nicht mit der Geschichte der Menschheit in Verbindung bringen, man möchte Gott nicht diese Irrungen und Verwirrungen zugestehen, man möchte eigentlich Gott aus Allem heraus halten, so der subtile Gedanke. Was hat Gott mit dieser Geschichte der Menschheit zutun, was für eine Geschichtswirksamkeit kann dieser „Gute und Heilige Gott“ in dieser Menschheitsgeschichte offenbart haben?

Der Kreis schließt sich, wenn man eben genau diese ganz heiligen Büchlein und Schriften nimmt, von den alten Hochkulturen angefangen bis in unsere Zeit hinein und nachlesen kann das genau diese Geschichtswirksamkeit auf Gott zurückgehen soll. Das fängt an bei der Auserwählung heiliger Völker – nicht nur Israel verstand sich so, sondern auch die Ägypter, Babylonier, Sumerer, Griechen, Römer, etc -, bis hin zu Gesetzes- und Gebotskodexen und Kriegsbefehlen – bis hin zum Völkermord. In allen diesen alten und neueren Kulturen und Religionen findet sich für das Handeln der Menschen die Begründung in Gottes Anweisungen.

Auf der anderen Seite finden sich aber ebensolche Anweisungen wieder, die das Ethos des Menschen in besonderer Weise hervorheben. Die Liebesfähigkeit des Menschen, die Friedfertigkeit und die Barmherzigkeit des Menschen.

Es verwundert nicht, dass schon sehr früh gelehrte Beobachter heiliger Schriften diese unvereinbaren Kontraste zwischen gebotener Nächstenliebe und Mordbefehlen feststellten und sich fragten, welche Zwiespältigkeit das Göttliche in sich trägt. Die Antworten waren ganz unterschiedlich und zeigen den Einfallsreichtum menschlichen Geistes und doch zeigt es auch unsere allzu menschliche Herangehensweise an diese Thematik.
So wurden „Gott“ sog. Gegengötter angedichtet, welche die guten Absichten des einen Gottes durch andere Götter aus der Götterfamilie zu Nichte machten. Diese Ansicht, die menschliche Eigenschaften auch auf das Göttliche projiziert, findet sich in allen alten Hochreligionen. Oder aber „Gott“ wird ähnlich eines Schauspiels zum Schauspieler, der sich ganz verschiedene Masken aufsetzen kann um seinen Gelüsten oder gar Bedürfnissen entsprechendes Antlitz zu geben. Diese Form der Gottesdarstellung findet insbesondere seit der hellenistischen – philosophischen Epoche eine besondere Gewichtung. Ein weiterer Aspekt ist die Vermenschlichung Gottes, indem sich Götter mit Menschen vereinigen, oder auf wundersame Weise erzeugen. Eine Praxis, die schon bei den alten Pharaonen gang und gebe war, indem sich Gottheiten in Form von Geistbefruchtung selbst ein irdisches Antlitz gaben.

Bei all diesen Formgebungen des Göttlichen kommt ein ganz wesentlicher Punkt zum tragen, es ist die Einbeziehung des Göttlichen in die menschliche Geschichte. Das Göttliche wird auf unsere dimensionale Seinsweise projiziert und für unsere ganz eigene Geschichte vereinnahmt. Das Göttliche wird menschlich, dass Menschliche wird göttlich. Gott wird Mensch und Menschen werden zu Göttern. Die Geschichtswirksamkeit unseres Daseins wird zur himmlischen göttlichen Dimension erhoben und damit aus den irdischen Dimensionen enthoben. Menschliches Tun und Handeln wird zur Göttlichkeit erklärt und somit legitimiert, Geschichte, sei sie noch so Schlimm in ihren Folgen, wird zum göttlichen Akt erhoben, Gott wird zum Täter an der menschlichen Geschichtswirklichkeit. Zorn und Rachegelüste werden diesen Göttern ebenso angedichtet wie Kriegslust und Völkermord. Ja selbst göttliche Liebesakte und göttliche Zwangsschwängerungen sind im Bereich des Möglichen und hier ist Maria nicht die einzige Frau, die für solche Ideen herhalten muß wie uns antike Heldenepose erzählen. Bei Göttern scheint alles möglich zu sein und so steht der Mensch im Spannungsfeld dieser göttlichen Spiele.
Die Griechen ersannen dafür sogar eigene Theaterstücke, die auf sehr eindrucksvolle Weise den Menschen in diesem Schauspiel göttlicher Macht darzustellen wissen. Helden leiden für göttliche Ideen, Menschen werden zum Spielball innergöttlicher Machtkämpfe, böse Götter verführen Menschen um guten Göttern zu schaden, gute Götter verführen Menschenfrauen, um sich Helden zu erschaffen, etc. Das Spektrum an Erklärungskünsten reicht weit in die Tiefen menschlicher Phantasie und Vorstellungskraft.

All diese Denkmodelle, ob nun zelebriert in sog. heiligen Theatern, Kultritualen, heiligen Büchlein, oder in Geschichtserzählungen anderer Art, sind Zeugnis dafür, wie begrenzt der Mensch in seiner Umwelt – dem irdischen Dasein – ist. Es zeugt davon, wie ärmlich unsere dimensionale Seinsweise ausgeprägt ist, es zeugt davon, wie irdisch unser Verstehen von nichtirdischen Verhältnissen ist, es zeugt davon, dass wir Menschen sind.
Schaut man in die Religionsgeschichte der Menschheit zurück, so finden sich immer wieder die gleichen Formen der Darstellung göttlichen Seins. Von der Frühzeit bis in unsere Zeiten hinein hat sich daran absolut nichts verändert. Wir können offenbar nicht anders, als in immer wieder den gleichen Formen Ausdruck auf unsere existenziellen Fragen nach dem Göttlichen geben, indem wir Gott zum Menschen deklassieren und somit auch dessen Handeln und Tun vermenschlichen.

Es scheint für den Menschen inakzeptabel zu sein, dass eventuell Gott eben nicht Geschichtswirksam ist, sondern Gott den Menschen einfach nur Mensch sein lässt. Das dieses unfassbare Wesen, warum auch immer, ein Wesen erschaffen hat, das autonom und mündig in begrenzten Raum und Zeit leben muß. Es scheint unvorstellbar zu sein, dass der Mensch in seinem Wesen boshaft und grausam sein kann, aber ebenso gutmütig und liebevoll und das eben dieser Mensch täglich vor der Entscheidung steht, ohne Gott die richtigen Wege für ein gemeinsames Dasein zu finden. Wie schwer fällt es dem Menschen doch, seiner inneren Ethik und seiner inneren Herzenseinsicht Gehör zu verschaffen, wie schwer ist es doch, die Welt in der wir leben nicht als Eigentum zu betrachten, sondern als Aufenthaltsort auf Zeit, den wir gemeinschaftlich begrenzt „Paradiesisch“ gestalten könnten, wenn wir es denn wollten. Wie schwer ist es doch für uns zu verstehen, dass wir diese Erde mit anderen Lebewesen fair teilen müssen, Unwidrigkeiten nicht als schädlich, sondern Naturgegeben und als Chance zu verstehen, unser Dasein nicht als Non Plus Ultra zu definieren, sondern als Teil vom Ganzen zu definieren. Wie schwer ist es doch, unser Dasein tagtäglich zu reflektieren und Kurskorrekturen vorzunehmen. Um wie viel einfacher ist es doch, Gott zum Zeugen unseres Exklusivstatus zu erklären, unser Tun und Handeln durch Gott zu legitimieren, Gott zum Schöpfer widernatürlicher Gebotsvorschriften oder gar Gesetze zu berufen und all das letztlich deshalb, damit wir in „würdevoller“ Macht leben dürfen über Alles und Jeden, ja sogar letztlich über das Göttliche. Wir schrecken nicht davor zurück, Gott zu vermenschlichen um ihn zum Sündenbock unserer Unzulänglichkeiten zu machen oder noch viel einfacher, Gott seltsamste Opferpraktiken unterzujubeln, damit unsere Verfehlungen unser Gewissen nicht belasten. Gott darf natürlich auch unsere innigsten Machtwünsche äußern und folglich darf Gott zu Ausbeutung, zu Mord und Totschlag ja sagen und wenn es der Sache Gottes oder seiner Diener dient. Wie einfach ist es doch für den Menschen mit einem Gott zu leben, es hat faktisch für Täter und Opfer unglaublich viele Vorteile. Nicht der Mensch selbst steht im Focus seiner Handlungen, sondern immer Gott, der Tätern und Opfern auf gleiche Weise dienen darf. Dem Einen gibt er die Rechtfertigung, den Anderen die Erlösung.

Dieser Universalismus zieht sich wie ein rotes Band durch alle Religionen, gleich welcher besonderen Ethik man huldigt, denn die Ziele sind letztlich immer die Gleichen. Was sich ändert sind nicht einmal die Argumente, sondern die Verpackung und Vermarktung solcher Ansichten.

Als schlaue Menschen – angelehnt an antike Denker – vor über 300 Jahren zu der Schlussfolgerung kamen, der Mensch dreht sich seit Jahrtausenden im Kreis seiner geschichtlichen und ethischen Entwicklung und die Religionen als hausgemachten Feinde der Menschlichkeit erkannte (Humanismus), ersann man neue Wege. Anfänglich noch mit Gott, schon bald gegen Gott und dessen Religionssysteme, glaubte der Mensch ein Gesellschaftssystem aufzubauen, welches ohne Gott und ohne Religionen, jedoch letztlich mit gleichem ethischem Ansatz, ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte aufschlagen wird. Große Denker entwarfen kühnste Strategien um der Menschheit das zu bringen, wonach sich die Menschheit sehnt. Frieden, Liebe, Gerechtigkeit, etc wurden zu den Schlagwörtern dieser Epoche. Wie wir wissen, all diese Visionen scheiterten bis zum heutigen Tag an einem wichtigen Kriterium. Am Menschen selbst und seiner Unmenschlichkeit und Gläubige behauten darüber hinaus steif und fest, an Gott. Das Scheitern all dieser Bewegungen löste zwei ganz unterschiedliche Dinge aus. Zum einen wurden Menschen wieder mit ihren kulturellen und religiösen „Wurzeln“ konfrontiert, die Sicherheit und Geborgenheit in einer „heillosen“ Welt anbieten. Zum anderen wurden Menschen zu einem ganz alten „Gott“ hingezogen, der Materialismus heißt, handfest ist und ebenso Geborgenheit gibt. Losgelöst von jeglicher Religion und deren Konventionen lebt es sich offensichtlich etwas skrupelloser und leichter, gleich wohl diese Menschen nicht erahnen, dass genau dieser Materialismus eines der Grundgüter einer jeden Religion ist. (Ich persönlich kenne keine arme Religionsgemeinschaft.) Diesen „Gottlosen“ geht es folglich um Macht, Einfluss, Gewinn und gesellschaftliches Ansehen, etc und hier unterscheiden sie sich erstaunlicher Weise nicht von Religionen und ihren Anhängern – egal zu welchen Zeiten und an welchen Orten diese Geschichtswirksam waren.

Der Mensch dreht sich im Kreis und endet immer dort, wo seine Geschichte beginnt, beim Menschen selbst und seinem Menschsein.
Doch zurück zu Gott. Gott, der diese ganz spezielle Spezies Mensch erschuf und nur das Gute im Sinn hatte, kann unmöglich den Menschen so schlimm geschaffen haben wie er ist bzw. wurde. Es muß folglich einen ganz tiefen Grund für die tiefen Abgründe selbst heiligster Menschen geben. Wie anders lässt sich erklären, dass ein heiliger Elija zum Massenmörder wird, ein heiliger David ebenso, ja selbst ein heiliger Jesus Gottes Ebenbildlichkeiten als Hunde und Schweine bezeichnen kann, nur weil sie Nichtjuden sind. Natürlich, es gibt das Argument, sie sind ja Auserwählte und die dürfen das, weil Gott es so will. Und Natürlich, auch Heilige dürfen einmal über die Stränge schlagen, und sicher, man muß das Böse bekämpfen. Art und Weise bestimmen ja nicht die Menschen, sondern Gott bei Auserwählten. Die Legitimation von Verbrechen an der Menschheit bedurfte bisher noch nie weniger als eines heiligen Auftrags. Ob biblisches Massenabschlachten, Kreuzzüge oder heilige Pflichterfüllung für Gott und Vaterland in Kriegen. Die Legitimation ist wichtig und welche wäre besser geeignet als Gott? Ja, fast alle Gesellschaftssysteme berufen sich via Eid auf Gott und in verantwortlicher Treuerfüllung. So ist legitimiert, was legitimiert wurde.

An und für sich wäre diese Sache in Ordnung, wenn es da nicht etwas gäbe, womit jeder Eid, jeder Treueschwur, jeder Dienst, jeder Krieg und Frieden, etc konfrontiert würde, die Geschichte. Sie erscheint trotz will fähiger Hingabe zur Geschichtsfälschung und Deutung, wie ein altes Vehikel aus den Urzeiten der Menschheit, dass man nicht abschütteln kann. Wir brauchen Geschichte, wir brauchen unsere Menschheitsgeschichte. Wir brauchen sie zur Reflektion und zur Standortbestimmung, wir brauchen sie als Lehrbuch und als Wegbereiter. Doch diese Geschichte ist blutig, leidvoll, ungerecht, sich wiederholend und für alle Generationen tödlich.
Wie passt ein Gott in diese, so für alle tödliche, Geschichte. Hier und allein nur hier stellt sich die jahrtausende alte Frage nach dem Warum des Menschseins. Warum sind wir so wie wir sind, warum hat uns ein Wesen in ein solches Dasein gestellt, warum kann der Mensch nicht anders wie er es seit Jahrtausenden tut.

Für Religionen – von ihren Anfängen bis Heute, ist die Antwort relativ einfach und je schlimmer die Geschichtsprozesse, je klarer und vehementer die Antwort.

Es folgt Teil 2