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Hybrid-Darstellung

  1. #1

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    Alef!!!

    So, ich schaue einmal, dass ich noch heute die Fortsetzung einstellen kann.

    ABS

  2. #2

    Standard

    Wie wir sehen konnten, wird die Welt der Essener in Schwarz und Weiß, Licht oder Finsternis, Erwählte und Nichterwählte, Heilige und Unheilige, Vorherbestimmte und Verworfene, etc geteilt. Deutlich lässt Paulus diesen theologischen Ansatz in seinem Schriftgut erkennen und noch deutlicher wird in diesem Zusammenhang das Johannesschriftgut.

    Der Dualismus in diesem Lehrgut ist in seinem Wesen eigentlich persischen Ursprungs, der durch das babylonische Exil eingang in das israelitische Glaubensverständnis fand jedoch bis auf wenige Zeugnisse im Tanach keine tiefere Bedeutung erlangen konnte. Erst mit den Essenern wird diese Lehre erneut aufgegriffen und theologisch ausgebaut und findet in jüdisch apokalyptischen Kreisen eine breite Anhängerschaft. Im gleichen Atemzuge greift Paulus auch auf dieses Lehrgut zurück, wofür ganz besonders der Epheserbrief Kap. 2/1-8 steht. Das dieser Dualismus zugleich ein kosmisches Ausmaß in sich trägt und Geisterwelten umfasst ist ebenso ein typisch persisches und essenisches Spektakel, welches bereits in den Altsummerischen Schriften (z.B. Enuma Elisch) ihren Widerhall finden und von den Autoren des N.T. aufgegriffen und weiter ausgebaut wird. (Hierzu sei besonders auf frühchristliche Apokalypsen und Henochapokalypse verwiesen). Das besonders die Autoren des N.T. – insbesondere Paulusschriften, Judasbrief, Hebräerbrief und Johannesliteratur inkl. Offenbarung sich überaus reichlich an jüdisch – hellenistischen Pseudepigraphen und Apokryphen orientieren und damit gleich den Essenern dieses Schriftgut in besonderer Weise hervorheben (z.B. Henochapokalypse, Testamente der Patriarchen, etc) ist ein gut belegter Fakt. Beispielhaft möchte ich dies einmal am Judasbrief aufzeigen (die Vergleichstellen zu Apokryphen oder Pseudepigraphen sind hinter dem Doppelpunkt angegeben): Judasbrief 4: äthHen 48,10 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 6: äthHen 10,6 (Aland, NT 27. Aufl., 804) + 6: äthHen 12,4 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 6: äthHen 22,11 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 9: AssMos ? (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 13: äthHen 18,15f (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 13: äthHen 21,5f (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 14: äthHen 1,9 (Aland, NT 27. Aufl., 804) + 14: äthHen 60,8 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 14: äthHen 93,3 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 16: äthHen 5,4 (Aland, NT 27. Aufl., 804)

    Noch deutlicher wird das gesagte, wenn man sich die Paulusliteratur anschaut. Allein der Römerbrief enthält über 60 Zitate aus besagter Pseudepigrapher oder Apokrypher Literatur. Im Gegensatz dazu gibt es nur 82 Zitate in der gesamten Paulusliteratur zur Septuaginta (griechisches A.T.). Dieses Missverhältnis mag nur den überraschen, der glaubte das theologische Fundament des Paulus sei gänzlich israelitischer Natur. Dass dieses Verhältnis ganz ähnlich bei essenischen Schriftgut ist mag nicht überraschen, wenn man sich über die parallelen theologischen Ansichten dieser beiden Gruppen klar geworden ist. Der theologische Ansatz ist ähnlich und somit auch die Textquellenlage. Klar ist, da es keine Vorlage einer Prädestinationslehre im rabbinischen Judentum gibt und auch das Tanach sich solchen Ansichten nur in wenigen Ausnahmefällen annähert (Jesaja + Jeremia), musste auf eine andere Quellenlage zurückgegriffen werden, was in damaliger Zeit völlig legitim war, da ein verbindlicher Kanon von heiligen Schriften außer der Tora noch nicht im Judentum festgelegt war. Um auch hier mit Flusser zu sprechen: Heilige Schriften waren, was man als Heilig ansah.

    Geht man von diesem Hintergrund aus, erklärt sich von selbst, warum das Judentum der Zeit Jesu so vielfältig und bunt war und verschiedenste religiöse Strömungen beherbergen konnte. Es ist einfach falsch zu glauben, das Judentum der Zeit Jesu war eine starre Größe, wie sie später von der jüdischen Gelehrtenschicht als überlebensnotwendige Richtung geschaffen wurde (Orthodoxie). Hellenistischer Judaismus nach Art des Philo, Essenertum, Sadduzäer, Pharisäer, Zeloten, Nazarener, Rabbinismus, Apokalyptiker, Wundertäter, Exorzisten, Mithrasanhänger jüdischer Prägung, etc, etc konnten nebeneinander existieren – wenn auch nicht gleichberechtigt. Das diese Vielfalt eine der Ursachen für die spätere katastrophale nationale Lage Israels wurde ist ein belegbarer Fakt, in dessen Folge alle diese Gruppen von der religionshistorischen Bildfläche verschwanden und sich entweder vom Judentum gänzlich loslösten, oder aber in der rabbinischen Orthodoxie neu sammelten.

    Dass all diese Gruppen in der Zeit vor und nach Jesus (bis ca. 100 n.Chr.) im Wettstreit um die Gunst im Volke standen ist historisch gut belegt (Josephus Flavius, Philo, Talmud, N.T., etc). Das alle Gruppen mehr oder weniger für sich einen Exklusivstatus beanspruchten ist in sich logisch. Allerdings sind die Argumente für diesen Exklusivstatus deutlich verschieden. Sie lassen sich zum einen in Traditionslegitimation aufteilen (Pharisäer, Rabbinismus, Sadduzäer, Zeloten, Apokalyptiker, Philonen, Nazarener, Täufer, etc,) und zum anderen in von Gott Erwählte (Essener, Christen, Mithrasanhänger, Wundertäter und Exorzisten). Hier liegt der entscheidende Unterschied in diesen Richtungen und gerade hier kann man dies auch am Schrift- und Überlieferungsgut festmachen und ebenso an ihrem historischen Werdegang. Hingegen Essener und Christen sich fast gänzlich aus dem Judentum verabschiedeten und zur neuen Religion wurde (Christentum) (der Mithraskult sei hier einmal als extreme Sonderrichtung außen vor), fanden alle anderen Gruppen sich im späteren orthodoxen Judentum wieder. Der Grund dafür war und dies muß man ganz klar so sagen, die Unvereinbarkeit ihrer Lehre mit dem hebräischen Tanach.

    (Das man allerdings bei dieser Auftrennung keine scharfe Grenzen ziehen kann sei klar genannt, denn Jochananjünger (Täufer) kehrten sich zum einen dem Christentum und andere dem Judentum zu, was man auch bei Essenern, Philonen, etc, so sagen kann.)

    Ein weiterer Beleg für diese Abgrenzung ist der Gnadenbegriff, denn Essener und später Christen in gleicher Art und Weise benützen, allerdings hier im besonderen bei Christen um ein Element erweitert – die Person des Heilandes, des Erlösers und Gnadengrundes. Damit kommt die dritte Gruppe ins Spiel, die besonders theologisch im Philosemitismus (Logoslehre) und jüdisch geprägten Mithraismus zu finden ist.

    Doch scheuen wir uns zuerst die Parallelen zu den Essenern an.

    Der Begriff Gnade wird ausschließlich bei Essenern und Christen auf einen Akt göttlicher Vorhersehung bezogen. „Wir sind Söhne deines Bundes, deiner Gnade, dieser Bund ist ein Bund der Gnade…“ (1. QH 7,20 + 1. QS 1,8 + 1. QH frgm. 7, etc) „Durch deine Gnade hast du meine Seele errettet, dass von dir her mein Stand ist (1. QH 2;23, etc) „Und alle Söhne deiner Wahrheit führst du durch Vergebung vor dich, um sie von ihren Sünden zu reinigen, durch den Reichtum deiner Gnade und in der Fülle deines Erbarmens, um sie hinzustellen vor dich in alle Ewigkeit. (1. QH 7,30 – 31, etc) Nur durch deine Güte wird ein mensch gerecht und durch dein reiches Erbarmen … mit Pracht stattest du ihn herrlich aus“ (1. QH 13,16 -17) In diesen beispielhaften Textstellen kommt eins deutlich zum Ausdruck, auf Grund der Erwählung wird Gnade von Gott gewährt, ein Gnadenbund ist die Erwählung, allein diese sind die Söhne Gottes, die in dieser Wahrheit, in diesem Gnadenbund stehen.

    Hören wir nun den Worten des Paulus zu: „Ebenso gibt es auch in der gegenwärtigen Zeit einen Rest, der aus Gnade erwählt ist; aus Gnade, nicht mehr auf Grund von Werken…“ (Römer 11/ 5 -6) „Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt -, nicht aufgrund eurer Werke, damit keiner sich rühmen kann“. (Eph. 2/ 8-9) „ Er hat uns gerufen, nicht aufgrund unserer Werke, sondern aus eigenem Entschluß und aus Gnade, die uns schon vor ewigen Zeiten in Christus Jesus geschenkt wurde…“ (2. Tim. 1,9)

    Finden wir bei den Essenern den Hintergrund der Absolutheit Gottes im Gnadenerweis aufgrund der Erwählung, wird diese in den Paulusschriften durch das Opfer Jesu begründet. Hier liegt der einzige theologische Unterschied. Paulus setzt förmlich der essenischen Theologie noch ein Krönchen drauf, indem er nicht nur die Vorherbestimmung des Menschen als Gnadenakt Gottes sieht, sondern auch den Erlösungsgedanken als Vorherbestimmung Gottes benennt, der nur Jesus Christus sein kann (2. Tim. 1,10). D.h. nicht allein die Erwählung durch Gottes Gnade sind ausreichend für die wahrhaftige Gottessohnschaft, die automatisch laut Essener die Sündenvergebung einschließt, sondern zu der Vorherbestimmung kommt noch der Glaube an die Vergebung der Sünden durch das Opfer Jesu Christi. Damit werden die Hürden für eine echte Gottessohnschaft also erneut erhöht. Hier grenzt sich Paulus ganz deutlich von den Essenern ab. Es reicht also nicht aus Vorherbestimmt zu sein, nein, in Folge der Vorherbestimmung muß der Glaube an Jesus fest verankert sein. Erst dann ist der Mensch im Vollbesitz der Gnade Gottes und erst dann kann nämlich auch der Mensch frei vom Gesetz Gottes sein, weil er nicht nur zum Erkennen der Wahrheit vorherbestimmt ist, sondern durch Vorherbestimmung des Opfers Jesu umsonst durch Gottes Gnade gerechtfertigt ist. Wozu braucht man dann noch Gottes Gesetz? Natürlich nur noch dazu, um den Menschen seiner Sünden zu überführen. Und freilich, hier muß die Tora zum Gesetz werden und darf nicht mehr Mitzwoth (Wegweisung) sein. Eine Wegweisung kann nicht schuldig sprechen, wohl aber ein Gesetz.

    Die Essener konnten sich als wahre Söhne Israels dieser Theologie nicht stellen, denn auch für sie galt die Tora als verbindlich – wohl in ganz spezieller Auslegung – doch immerhin im rahmen jüdischer Religionsansichten. Eher muß man hier sogar von einer erheblichen Toraverschärfung sprechen, die um einige Elemente ganz wesentlich erweitert wurden. Das betrifft nicht nur die Taufe, die als letzter Akt einer langen Bewährungszeit die Aufnahme in die Gemeinschaft beschloss, sondern viel mehr in sehr strengen Reinheitsgeboten – bis hin zum tragen ganz spezieller Kleidung. Die Heiden waren ihnen ein Gräul und hatten nach ihrer Ansicht keinen Anteil an der Gnade, es ei denn die Vorhersehung Gottes hätte es so bestimmt. Um diese Vorherbestimmung zu wecken war Mission ein gängiger Akt – auch in der Diaspora und unter Heiden, die sich dann allerdings dem jüdischen Kultzeremonien (Beschneidung, etc) stellen mussten. Der Erfolg unter diesen war nicht unerheblich und doch war gerade der Kultzwang ein wirkliches Hindernis für eine großflächige Missionsarbeit. Vielfach gelang es nur hellenistische Juden und in dessen Umfeld lebende Heiden für die Ideen der Essener zu gewinnen. Auch wenn der gelebte Kommunismus bis hin zu den Höfen Roms Bewunderung und Verwunderung auslöste und man in der heidnischen Welt wohl eher Essener als Pharisäer kannte (Josephus Flavius, Philo) war doch ein Übertritt zu dieser Gemeinschaft eine extreme Lebensumstellung. Für Essener war klar, dass man als Mitglied ihrer Gemeinschaft eine gewisse Absonderung zum Rest der Welt zeigen und tätigen muß. Das allerdings ihr Missionsacker ein heiß umstrittenes Feld war ist gut bekannt und auf diesem Acker bemühten sich nicht nur die Jochanangemeinschaft, die Mithrasanhänger, Philonen und sogar Pharisäer, auch Paulus zeigte sich hier überaus eifrig.

    Die Herabstufung der Tora zum Gesetzeskodex und dessen indirekte Aufhebung, die Paulus geradezu leidenschaftlich betrieb und ihm ernsthafte Schelte bei den Nazarenern einbrachte, verschafften jedoch einen ganz klaren Vorteil in seiner Theologie gegenüber den Essenern, wie beispielhaft Epheserbrief 2/ 11 – 22 belegt. Nicht auf die Tora ist der Neue Bund gebaut, sondern auf das Opfer Jesu Christi und mehr noch auf das Fundament der Apostel. Spätestens hier sind Judentum und Christentum nicht mehr miteinander vereinbar. Die Vorlage dazu boten die Essener, die diesen Exklusivstatus durch ihre Vorherbestimmungslehre und den Gnadengedanken theologisch begründeten. Das zu all dem noch das Element des NEUEN BUNDES kommt, der nach essenischen Verständnis den alten Bund ergänzt und oder auch teilweise aufhebt und zugleich die Lehre von dem wiedergeborenen neuen Menschen beinhaltet, der nicht aus Fleisch, sondern aus Geist geboren werden muß, ist nur eine weitere Säule dieser Vorlagen.

    Doch bevor uns diesem Thema stellen und hier insbesondere auf die Johannische Theologie eingehen, noch einmal zurück zum Thema Gnade.

    Der Israelit Jeshua definierte keines Wegs dieses Ansinnen eines solchen Gnadenverständnisses, wie ihn die Essener und fast gleich lautend Paulus vertraten. Nicht nur die Feldrede spricht da sehr deutliche Gegenworte, wo es um aktive Tat und deren Lohn geht, sondern mehr noch der jüdische Gedanke der Umsinnung und Besinnung – sprich Zedaka. Das war der Rote Faden der Lehre Jeshuas, die fern ab von Selbstverherrlichung und „Heilssicherheit“ durch Glauben stand. Sich selbst zu überwinden, sich täglich neu der Heiligkeit Gottes zu stellen und Seinen Wegweisungen aktiv zu folgen war die Kernbotschaft des Israeliten Jeshua. Darüber hinaus zeigte er deutlich auf und verwies immer wieder darauf, dass allein Gott entscheiden wird, wer würdig sein wird, in das Königtum der Himmel zu gelangen, doch dass der Mensch ganz aktiv in diesem Prozess eingebunden ist, nämlich durch sein Tun, Handeln, Denken und Glauben. Den Weg dahin beschreibt Jeshua in seiner Feldrede (Bergpredigt) und in den Gleichnissen, die nicht selten gezielt essenische Ansichten angreifen und verurteilen (die übrigens später irrtümlich den Pharisäern untergeschoben wurden).

    Es folgt Teil 3 Der „Neue Bund“

  3. #3
    godelind Gast

    Standard

    Hi Abs.
    danke für Deine Ausarbeitungen die einfach sind,ich lese sie mit grossem Interesse,auch wenn mmir der Kopf raucht ggg,weil ich nicht ganzs so viele bites und bytes habe

    LG
    gode

  4. #4
    poetry Gast

    Standard

    Ich fang immer wieder von vorn an, sonst fehlt mir der Faden :-)

    Aber ein sehr interessanter Lesestoff - Danke für Deine Mühen, lieber Abs.

    Poe

  5. #5
    Registriert seit
    06.12.2006
    Beiträge
    2.934

    Standard

    Hallo Absalom

    Da kam mir wieder unsere Aufstellung in den Sinn, der Gegenüberstellung von NT-Zitaten aus apokryphen Schriften. Das war ja schon echt interessant......

    Neu finde ich die Festsstellung interessant, dass der Gnade immer höhere Hürden gesetzt wurden, was sich ja dann in der Kirche noch mehr steigerte.


    Danke


    Alef

  6. #6

    Standard

    Liebe Godelind, nicht nur dir raucht da der Kopf ggg

    Lieber Poetry, ich denke, es ist ein wirklich sehr komplexes Thema, dass ich ja nur ansatzweise ausführen kann. Ich selbst muß auch achten, dass mir dabei der Faden - vor lauter kurzhalten - nicht entschwindet.

    Lieber Alef, ja diese Auflistung der Apokryphen im Vergleich zum N.T. ist wirklich extrem hilfreich. Ich bin froh über diesen Fundus, denn sonst wären die Recherchen noch zeitaufwendiger. Allein schon die Auswertung von Qumrantexten ist extrem zeitintensiv und ich sitze ja nun schon einige Jahre an diesem Material.

    Zu deinem zweiten Satz: Es ist auch für mich erstaunlich, was für Steigerungsformen stattgefunden haben - bis hin zur heilsnotwendigen Liturgie in Kirchen. Schaut man sich jedoch anderseits so manche Kulte der Antike an, so ist es auch wieder so, dass das Frühchristentum (um 100 n. Chr.) in seiner Theologie relativ einfach gestrickt war. Erst mit dem Werden als öffentlich anerkannte Religion (ab ca. 250 n. Chr.) und in dessen Folge der Integration anderer Kultformen änderte sich dies dann auch rituell ganz massiv. Besonders schnell und drastisch war diese Entwicklung, als das Christentum Staatskult wurde. Besonders hier kann man die Einflüsse sehr gut historisch nachvollziehen.

    Die Geschichte des Frühchristentums ist wirklich hoch interessant, denn von kaum einer Religion der Antike / Spätantike gibt es so viel überliefertes schriftliches Material, dass uns erlaubt sich doch ein relativ gutes Bild über diese Entwicklungsgeschichte zu machen. Ganz besonders spannend ist natürlich, dass heute schriftliche jüdische Quellen zur Verfügung stehen, die ganz besonders intensiv einen Einblick in die Anfänge dieser innerjüdischen Gemeinschaft bis hin zum Werden des Frühchristentums erlauben. Wohl hat der Talmud und anderes jüdisches Schriftgut selbst schon viel Licht auf diese innerjüdische Gemeinschaft geworfen, doch erst durch Qumran kann man sich wirklich den Ansichten und mehr noch dem Zeitgeist inklusive der damaligen Sprachwelt zuwenden und so manches Licht hinter den Vorhang der Religionsgeschichte werfen.
    Zumindest und dies kann man heute klar und deutlich belegen, ist das ursprüngliche Lehrgut Jesu deutlich antiessenisch geprägt gewesen und in ihnen dürfte er wohl die härtesten Gegner gefunden haben, denn fast 80% seiner Scheltreden bezieht sich ausschließlich auf essenisches Lehrgut. Und dies mag nicht verwundern, war doch die Galil ihr Haupteinzugsgebiet und Missionsfeld und die Essener hatten insbesondere durch den Schutz und das Wohlwollen des Herodes und auch so mancher Römer einen hohen gesellschaftlichen Rang erreicht, der selbst Sadduzäer zur Vorsicht und Zurückhaltung gegenüber dieser Gemeinschaft mahnte. Die Pharisäer und Zeloten hatten sicher den schlechten Stand bei dieser Gruppe, was uns so manche Texte aus Qumran mehr als deutlich aufzeigen. Es verwundert mich nicht, dass Herodes genau diesen Jesus fangen lassen wollte und die Begründung mag weniger in dessen Sympathie zu seinem Freund Jochanan gestanden haben, als vielmehr in seiner Kritik an den Drahtziehern für dessen Tod. Darüber hinaus mag es auch nicht verwundern, dass Jesu Familie ihm über lange Zeit feindlich gesinnt war. Die Ursache dafür finden wir in der Galil, der einstigen Hochburg der Essener.

    Absalom

  7. #7

    Standard

    Der Neue Bund

    Gleich den Essenern sprechen auch die Frühchristen von einem Neuen Bund. Dieser Neue Bund verwirklicht sich in der Gemeinschaft der Heiligen (1 QS 9,8 + 1QS 20; etc) (Eph. 4, 12 + Kol. 1, 12 ; etc)

    Die Begriffswelt bei Essenern und auch Frühchristen sind völlig identisch und auch in ihrer theologischen Wertung genau gleich gemeint. Essener und Frühchristen sehen sich als diesen Neuen Bund.

    Grundlagen dafür sind nicht nur die Vorherbestimmung, sondern auch die Inanspruchnahme hebräischer Textvorlagen (Prophetenworte) die auf sich selbst bezogen werden. Hierfür wird exemplarisch von beiden Gruppen Jeremia (31, 30 – 31) in Anspruch genommen.

    Beide Gruppen, Essener und Frühchristen, sehen in sich die Erfüllung dieser Prophetie. Formal trennen sich beide Gruppen damit vom „Rest“ Israels, der diesem Bund nicht teilhaftig ist.

    Die Qumrantexte und besonders die sog. Damaskusschrift befasst sich ausführlich mit der Thematik des Neuen Bundes. Hier nun einige Textpassagen aus besagter Schrift als Einleitung: „Weil Er aber des Bundes mit den Ersten gedachte, hat er einen Rest übriggelassen in Israel“ (CD 1, 4 – 5) „Gott aber gedachte des Bundes mit den Vorfahren und erweckte aus Aaron einsichtige Männer und aus Israel Weise“ (CD 6, 2 – 3) „Wegen ihres Treuebruches, da sie ihn verließen (Israel), hat Er sein Angesicht vor Israel und vor seinem Heiligtum verborgen und sie dem Schwert preisgegeben. Weil Er aber an den ersten Bund gedachte, hat er einen Rest von Israel gelassen“. (CD 1, 3 -5)

    Wenn wir uns diese drei Textstellen anschauen, die für eine ganze Reihe anderer Verse stehen könnten, fällt zum einen der Terminus: Ersten (Bund) und zum zweiten der Begriff: Rest Israels, drittens: Gedachte der Vorfahren und viertens: Treuebruch / Bundesbruch, auf.
    Damit könnte man eigentlich schon die ganze Theologie der Essener umfassen. Für die Essener wurde der Erste Bund gebrochen, weil Israel Gott verließ. Doch Gott gedachte der Vorfahren des ersten Bundes und wählte Weise Männer Israels aus (Rest Israels + Vorherbestimmung), um einen neuen Bund zu begründen. Faktisch haben wir in diesen zwei Sätzen das gesamte Theologische Grundkonzept zum Neuen Bund der Essener und zugleich auch der Frühchristen, denn nicht anders – ja fast wortgleich - argumentiert auch das N.T. und hier explizit der Hebräerbrief und Paulus im Römerbrief.
    Noch deutlicher werden die Essener wenn sie darstellen, dass der Bund der Väter gut und gerecht war, allerdings die Nachkommen diesen brachen. Die Väter werden mit Abraham, Isaak und Jakob genannt (CD 8 16 -18). Auf diesen Bund wird Gott den neuen Bund begründen. Diese überaus ungewöhnliche essenische Sichtweise für ein israelisches Bundesverständnis ist geradezu einmalig, da doch der Sinai als die eigentliche Bündnisstätte verstanden wird. Doch genau diese theologische Sichtweise findet sich in Hebräer 11 wieder. Der Bezug zu Abraham und dessen Bund ist geradezu ein ganz spezielles essenisches Merkmal.
    Der Hintergrund dazu ist offensichtlich. Der Neue Bund ist nicht ein Bund der Buchstaben, wie am Sinai, sondern ein Bund des Geistes wie bei Abraham. Der Geist Gottes wird zum Stifter des Neuen Bundes, ja mehr noch, dessen Mitglieder werden zum Tempel des heiligen Geistes Gottes, ja, die Mitglieder sind nun der Tempel Gottes, die Neue Stiftshütte, das Heiligtum Gottes in Persona. (1. QS 8, 4 -10 + 1. QS 9, 3 – 5; etc) Hier findet der wahre Gottesdienst statt, hier werden die Gemeindemitglieder zu Heiligen. Das war neu und sensationell im theologischen Verständnis Israels und genau diese Theologie findet sich fast wortwörtlich im N.T. wieder (vgl. z.B. 1. Petrus 2/ 4 – 10 + Eph. 2/ 20 – 22; etc)

    Der Grundgedanke ist bei beiden Gruppen in sich völlig identisch und auch die theologischen Schlussfolgerungen sind in sich völlig gleich. Es gibt nur einen kleinen Unterschied, die Essener vertraten 100 Jahre vor Paulus schon diese Ansichten.

    Theologisch verschaffte beiden Gruppen diese Ansichten jedoch ein Problem, was tun mit dem Sinaibund? Der Neue Bund gründet sich auf Abraham, aber was soll man mit diesem Bund vom Sinai machen? Paulus klärt dieses Problem auf ganz simple Weise wie uns 2. Kor. 3, 6 – 18 oder Römer 7, 1 – 25 + Römer Kap. 9 – 16 darstellen. Noch klarer wird der Hebräerbrief 10, 9 – 10 + 9, 15. Das Fazit, der Sinaibund hat seinen Zweck erfüllt und wird nun nicht mehr gebraucht, Christus hebt den Ersten Bund auf und setzt den Neuen Bund ein.
    Die Essener konnten mit einer solchen Ersatztheologie nicht aufwarten, denn es gab bei ihnen schlicht und ergreifend kein Menschenopfer. Deshalb argumentierten die Essener nicht ganz so scharf bezüglich des Sinaibundes, der für sie noch immer volle Gültigkeit hatte. Sie erklärten allerdings ähnlich wie Paulus, dass dieser Bund in der Vergangenheit nur fleischlich verstanden wurde und nun richtiger Weise geistig gesehen werden müsse. Die Folge dieser geistigen Sicht der Essener war jedoch nicht die Bundesabschaffung, sondern Bundesverschärfung in elementaren bereichen (insbesondere Reinheitsvorschriften). Faktisch heißt dies, man formte den Bund nach eigenen Maßstäben zu recht, so dass er der Gemeinschaft dienlich erschien. Ein Prinzip freilich, dass längst schon gang und gebe in Israel war und insbesondere von den Pharisäern durch Neuinterpretation der Tora legitimiert war.

    Auch wenn für die Essener der Bruch zum Sinaibund so nicht stattfand durch die Inkraftsetzung eines Neuen Bundes, so relativierten sie diesen Bund doch zumindest soweit, dass ihr Neuer Bund über den Alten Bund stand. Konsequenter war da die Paulustheologie, die den Sinaibund ebenso nicht für ungültig erklärte, allerdings als notwendiges Übel ansah und heilsgeschichtlich keine Bedeutung mehr hatte. Der Hebräerbrief ist die endgültige Antwort des Frühchristentums auf Israel, der Bund ist aufgehoben und damit ungültig. Heilsgeschichtlich hat Israel damit seine „Schuldigkeit“ getan. Paulus ist hier etwas humaner und schreibt in Römer 11/ 28 – 29 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Wahl sind sie Geliebte um der Väter willen.

    Mit dem Inkrafttreten des Neuen Bundes haben sich beide Gemeinschaften deutlich von Israel distanziert. Dies äußerte sich nicht nur darin, dass Essener wie auch die jüdischen - paulinischen Kreise den Tempel verwarfen, sondern auch ihre Heilsgeschichte von der Geschichte Israels loslösten und diese als verfehlt darstellten. In Folge dieser Entwicklung entwickelten beide Gemeinschaften ganz eigene Religionssysteme, die allerdings auch hier viele Gemeinsamkeiten innehatten, was aufgrund ähnlicher oder oft gemeinsamer theologischer Ansichten nicht ungewöhnlich ist.

    Das sich die heilige Gemeinschaft vom dem sündigen Israel abwenden musste, ist nur die logische Konsequenz dieses theologischen Selbstverständnisses. Wenn Frühchristen oder Essener sich als heilige Gemeinschaften verstanden, als Tempel Gottes, als lebendiges Haus des heiligen Geistes, dann mussten folglich die anderen Menschen, die nicht dazu gehörten Feinde, ja Widersacher sein. Beide Gemeinschaften zeigen in dieser Einschätzung sehr separatistische Tendenzen, auf die ich noch eingehen werde. Dass, das Johannesevangelium genau in diese Kerbe schlägt und diese Tendenz der Verfeindung ausbaut und sich besonders auf diesem Sektor ganz der Hasstheologie der Essener bedient ist nur die logische Konsequenz der inhaltlichen Nähe dieser beiden Gruppen zueinander. Das für diese Schrift letztlich „die Juden“ (in dritter Person schon gesprochen!) verworfen sind und Kinder des Satans und nicht mehr Kinder Gottes sind entspricht ganz der Vorherbestimmungstheologie und mehr noch der Bundestheologie beider Gruppen. Soweit ging Paulus nicht und doch sah er in ihnen schon Feinde und Widersacher, Bündnispartner des Antichristen und Verführer. Der Weg bis zur physischen Gewalt gegen diese vermeintlichen Gegner war letztlich dann nur noch ein kleiner Schritt.

    Wenn wir dieser Theologie das Lehrgut des Israeliten Jeshua gegenüber stellen (Synoptiker) kann man nicht umhin zu fragen, was wurde aus seinem Lehrgut gemacht? Jeshua sah weder einen neuen Bund, noch sah er den Sinaibund aufgehoben oder gar eine Befreiung davon. Auch seine direkten Jünger lassen keine Spur davon erkennen, ganz im Gegenteil, sie rühmen sich sogar Eiferer der Tora zu sein (Apg.). Das Jeshua einer Verschärfung – Lastenaufbündelung der Tora widersprach, so verweist dies deutlich auf die Essener, die dies Proklamierten und wenn Jeshua zugleich von der Selbstüberwindung sprach, dann vornehmlich von zur Schau getragenen Scheinheiligkeit und anderseits von einer selbst angedichteten Heilssicherheit und in den Himmelloberei. Seine Selbstbescheidenheit und sein Realismus gingen sogar soweit, dass er für sich selbst ausschloss ein Guter oder gar Heiliger zu sein, sondern er verwies auf Gott als den einzig Heiligen, Guten und Rechtschaffenden. Und als einige seiner Jünger solche Anflüge bekamen wies er sie streng auf ihre irdischen Sitzplätze zurück. Jeshua fühlte sich zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt, zu den Armen und Entrechteten. Nichts Geringeres forderte er von seinen Talmidim für ihre Nachfolge. Das ist das Wesen der Lehre Israeliten Jeshua. Sinnet um, denn das Königtum der Himmel ist Nahe, nahe all denen die bereit sind umzusinnen. Von einem Neuen Bund oder gar einer neuen Religion ist da wahrlich keine Spur.

    Nächstes Thema: Feindeshass um der Gottesliebe willen? Essenisches Feindesverständnis und frühchristliche Nächstenliebe.


 

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