Bat Ye'or Zur Autorin:

Bat Ye'or (Hebräisch: בת יאור) bedeutet "Tochter des Nils" und ist ein Pseudonym der Autorin und Historikerin Gisèle Littman. Ihr Themenschwerpunkt ist die Geschichte und Entwicklung des Islam in Europa. Bat Ye'or hat den Begriff Eurabien geprägt. In ihren Büchern beschreibt sie die Geschichte der Juden und Christen unter dem Islam, der sogenannten Dhimma, und sie behauptet anhand von zahlreichen Dokumenten der EU die planmäßige Vorantreibung eines islamischen Europas seit ca. 1973 (damals noch EWG).


Original: Dhimmitude and Marcionism

Scheik Yussef al-Qaradawi, geistiger Führer der Muslim-Bruderschaft, erklärte im Dezember 1977 in einem Interview, dass das islamische Gesetz die Völker des Buches – Juden und Christen – in drei Kategorien teilt: nicht muslimische Geschützte, die Dhimmis, die in islamischen Ländern leben (dar al-islam); Nicht-Muslime, die in Ländern vorüber gehender Waffenstillstände leben; und Nicht-Muslime, die im Land des Krieges (harbis) leben.

In der Erklärung, dass das islamische Gesetz für jede dieser Kategorien andere Regeln hat,1 fasste der Scheik in wenigen Worten die Theorie des „Jihad“ zusammen, der die Beziehungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen beherrscht.


Jihad

Nach der Theorie des Jihad sind Einwohner des Landes des Krieges (dar al-harb) Ungläubige, die bekämpft werden müssen, weil sie gegen die Errichtung des islamischen Gesetzes in ihren Ländern sind. Als Feinde Allahs haben sie keine Rechte: Sie selbst und ihr Eigentum werden für alle Muslime „mubah“ – d.h., wenn sich die Gelegenheit ergibt, können sie als Sklaven genommen, zur Einforderung von Lösegeld entführt, beraubt oder getötet werden, ohne dass die Täter mit Strafe rechnen müssen. Gegen sie wird Krieg geführt, um ihre Gebiete zu islamisieren, die nach dem Willen Allahs der islamischen Gemeinschaft zugehören müssen. Wenn sie sich wehren, dann erlaubt das islamische Recht ihre Deportation oder die Männer zu massakrieren und die Frauen und Kinder zu versklaven.

Ungläubige im Land des Waffenstillstands befinden sich in einem Aufschub zwischen Kriegen. Prinzipiell darf der Waffenstillstand nicht mehr als zehn Jahre dauern, wonach der „Jihad“ wieder aufgenommen werden soll. Zwei Gründe können dazu motivieren, den Ungläubigen durch die islamische Autorität einen Waffenstillstand zu gewähren:

1) Die Muslime sind zu schwach, um die Ungläubigen zu besiegen und der Waffenstillstand erlaubt es ihnen stärker zu werden.

2) Die Staaten der Ungläubigen zahlen den Muslimen einen Tribut oder leisten zahlreiche Dienste, die der Verbreitung des Islam dienen.

Mit anderen Worten: Der Waffenstillstand ist nur genehmigt, wenn er die Lage der Muslime verbessert und die der Ungläubigen schwächt. Ein Waffenstillstand ist kein Normalzustand; er wird mit Tribut erkauft. Wenn die Ungläubigen nicht für wirtschaftlichen Vorteile im Tausch für den Waffenstillstand sorgen können, werden die Feindseligkeiten wieder aufgenommen. Weiterhin sind nur Verträge gültig, die mit den Vorschriften des Islam überein stimmen; werden diese Bedingungen nicht erfüllt, ist der Vertrag wertlos.

Beschützte Ungläubige, Dhimmis, in muslimischen Ländern sind ehemalige „harbis“, die widerstandslos ihr Gebiet im Tausch gegen Frieden unter islamischem „Schutz“ (dhimma) aufgegeben haben. Dies sollte als Schutz gegen die permanenten Gesetze des Jihad verstanden werden, von dem sie bedroht sind, wenn sie rebellieren. Das nenne ich „Dhimmitum“: die unterworfen-beschützte Lage der Ungläubigen, die durch die Übergabe ihrer Gebiete an die islamische Autorität eingenommen wird. Unterwerfung, weil Ungläubige ihr eigenes Land dem islamischen Gesetz unterordnen, das sie enteignet; und Schutz, weil dasselbe Gesetz sie vor dem Jihad beschützt und ihre Rechte garantiert. Dhimmitum ist die direkte Folge des Jihad.

Westler wissen wenig oder nichts über den Jihad, den islamischen Eroberungskrieg. In einigen progressiven Kreisen wird Jihad als exotischer Begriff betrachtet, der manchmal mit einer angenehmen Bedeutung verziert wird. Von offensichtlichen Ähnlichkeiten fehl geleitet verwechseln Intellektuelle den Jihad mit den Kreuzzügen. Fakt ist, dass der erste Kreuzzug 1096 begann; der Jihad begann 624. Der ersten Phase, dem Proto-Jihad des 7. Jahrhunderts, folgte die theologische, theoretische und rechtliche Konzeptualisierung, die im 8. Jahrhundert begann. Die erste Phase umfasste Mohammeds militärische Aktivitäten, nachdem er 622 nach Medina emigrierte, sowie den Eintrag dieser Heldentaten in Form von Kommentaren und Geboten in den Koran. Die zweite Phase beginnt nach Mohammeds Tod 632, als die arabischen Armeen sich aufmachten Asien und das christliche Mittelmeer-Reich zu erobern. Es war in dieser zweiten Phase (8./9. Jahrhundert), dass muslimische Rechtsberater das theologische Konzept des Jihad und seiner Institutionen ausführlich berieten; die Grundlage dafür war das Beispiel Mohammeds, seine Biographien (die im 8./9. Jahrhundert geschrieben wurden) und die ihm zugeschriebenen Worte und Taten (Hadithe), die von angenommenen Zeitzeugen aufgezeichnet wurden. Die Unterscheidung dieser beiden Perioden zeigt, dass der Jihad, als er sich entwickelte, nicht Mohammed zugeschrieben werden kann, da seine Institutionen nach seinem Tod geschaffen wurden.

Es gibt viele Unterschiede zwischen den Konzepten des Jihad und den Kreuzzügen, da sie aus zwei entschieden unterschiedlichen Religionen und Zivilisationen hervor gingen. Wir können hier nur wenige anführen.

Seit dem 8. Jahrhundert erklärten muslimische Theologen, dass der Jihad der islamischen Doktrin entstammt und nicht von ihm zu trennen ist, weil sie sich in der von Mohammed geführten militärischen Kampagne ausdrückt. Der Jihad, ein komplexer Begriff, manifestiert den Kampf der Muslime nach den Prinzipien Allahs zu leben, wie er sie Mohammed offenbarte. Mohammed verkörpert den überlegenen Mittler zwischen der Menschheit und der Gottheit; seine verbindlichen und normativen Gebote werden im Koran durch sein Wort und seine Taten verkündet. Der arabische Prophet illustriert das normative Modell des Guten, das nolens volens der gesamten Menschheit auferlegt werden muss (Koran, Sure 2, 189) und der Jihad geht ausführlich auf die militärischen, politischen und wirtschaftlichen Taktiken ein, mit denen dieses Ziel werden soll.

Von seinen Anfängen bis heute besetzt der Jihad einen wichtigen Platz im Denken und in den Schriften der muslimischen Theologien und Juristen. Die im 8. Jahrhundert definierten Relugarien werden heute immer noch von der Mehrheit der Muslime als unveränderbar angesehen. Während der Jihad in der heiligen Immanenz der koranischen Offenbarung inne wohnt, sind die Kreuzzüge ein episodisches historisches Ereignis, das Kritik ausgesetzt ist.

Zuerst sollten wir feststellen, dass die Kreuzzüge in den konstituierenden Texten der Christenheit keine Grundlage haben – dem Ersten und Zweiten Testament der Bibel. Die Eroberung Kanaans durch die Israeliten betrifft ein begrenztes Gebiet, nicht die ganze Erde in einem ewigen Krieg zur Unterwerfung der gesamten Menschheit unter dasselbe Gesetz. Ähnlich sind die Arten der Kriegsführung in regelmäßige Wiederkehr eingebettet, im Kontext einer bestimmten Zeit. Außerdem beziehen die Bibel und der Koran nicht dieselbe Haltung zum Heidentum. Die Bibel verurteilt die blutigen, unmenschlichen Praktiken der heidnischen Kulte; sie ordnet nie ewigen Krieg gegen Heiden an. Historisch gesehen waren die Kreuzzüge eine den Umständen entspringende Reaktion auf die Konstellation von Ereignissen, die allesamt für das Konzept des Jihad wesentlich sind. Die muslimischen Armeen umzingelten die Christenheit in einer Zangenbewegung. Im Osten, nachdem Byzanz in Manzikert geschlagen wurde (1071), unterwarfen die türkischen Seltschuken Armenien mit Feuer und Schwert und verwüsteten byzantinisches Territorium. Im Westen drangen almoravidische Berber-Stämme nach Spanien ein und dort nach Norden vor, wobei sie Christen massakrierten. Im Heiligen Land wurden Pilgerreisen unterbrochen – der Grund waren erzwungene Übertritte zum Islam, Entführungen und Ermordung christlicher Pilger und eine für Nichtmuslime allgemein unsichere Lage. Die Kreuzzüge können nicht von den wiederholt auftretenden antichristlichen Jihad-Kriegen getrennt werden, die sie provozierten.

Die Doktrin des Jihad zu ignorieren ist im Westen derart vollkommen, dass der Begriff Kreuzzug im Zusammenhang mit dem Jihad oft beleidigend benutzt wird, was zu der absurden Missdeutung führt, dass Mulsime für das Kreuz kämpfen, wenn das Kreuz in Wirklichkeit in ihrem Reich (dar al-islam) durch Kalif Abd al-Malik seit dem späten siebten Jahrhundert verboten war. Die Geschichte des Jihad auszulöschen löscht automatisch die Geschichte des Dhimmitums aus, was letztlich das Ziel ist. Das historische Umfeld, das ich Dhimmitum nenne, ist ein Teil der Menschheitsgeschichte, die sich über mehr als ein Jahrtausend erstreckt und die Länder abdeckt, die von den muslimischen Armeen auf drei Kontinenten (Afrika, Asien und Europa) erobert wurden. Und dieses Konzept besteht heute noch in den Bräuchen und Gesetzen aller Länder, wo die Scharia angewendet wird. Ignoranz sorgt dafür, dass Dhimmitum nicht wahrgenommen wird, wie Analphabetismus jemanden die Bedeutung eines Textes nicht erkennen lässt, aber weder Ignoranz noch Analpabetismus verändern die nicht wahrgenommene Realität. Weil der Jihad für immer andauert, weil er als Ausdruck göttlichen Willens betrachtet wird, wird das Dhimmitum als seine direkte Folge mit denselben, ewig dauernden und heiligen Qualitäten besetzt. Die Charakeristika und das Ausmaß des Dhimmitums werden exakt vom Jihad bestimmt.