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  1. #1

    Standard Nun lasst uns geh'n und treten

    Den folgenden Text habe ich in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil den Liedtext, im zweiten Teil meine Gedanken dazu.

    Quelle: „Paul Gerhardt, Gesamtausgabe seiner Lieder und Gedichte“ Eberhardt von Cranach-Sichart


    1.)Nun lasst uns gehen und treten
    mit Singen und mit Beten
    zum Herrn, der unserm Leben
    bis hierher Kraft gegeben.

    2.)Wir gehen dahin und wandern
    von einem Jahr zum andern,
    wir leben und gedeihen
    vom alten bis zum neuen.

    3.)Durch soviel Angst und Plagen,
    durch Zittern und durch Zagen
    durch Krieg und große Schrecken,
    die alle Welt bedecken.

    4.)Denn wie von treuen Müttern
    in schweren Ungewittern
    die Kindlein hier auf Erden
    mit Fleiß bewahret werden.

    5.)Also und auch nicht minder
    lässt Gott ihm seine Kinder,
    wenn Not und Trübsal blitzen,
    in seinem Schoße sitzen.

    6.)Ach Hüter unsers Lebens,
    fürwahr es ist vergebens
    mit unserm Tun und Machen,
    wo nicht dein Augen wachen.

    7.)Gelobt sei deine Treue,
    die alle Morgen neue,
    Lob sei den starken Händen,
    die alles Herzleid wenden.

    8.)Lass ferner dich erbitten,
    o Vater, und bleib mitten
    in unserem Kreuz und Leiden
    ein Brunnen unserer Freuden.

    9.)Gibt mir und allen denen,
    die sich von Herzen sehnen
    nach Dir und Deiner Hulde
    ein Herz, das sich gedulde.

    10.)Schleuß zu die Jammerpforten
    und lass an allen Orten
    auf so viel Blutvergießen
    die Freudenströme fließen.

    11.)Sprich deinen milden Segen
    zu allen unseren Wegen,
    lass Großen und auch Kleinen
    die Gnadensonne scheinen.

    12.)Sei der Verlassenen Vater,
    der irrenden Berater,
    der unversorgten Gabe
    der Armen Gut und Habe.

    13.)Hilf gnädig allen Kranken,
    gib fröhliche Gedanken
    den hochbetrübten Seelen,
    die sich mit Schwermut quälen.

    14.)Und endlich was das Meiste,
    füll uns mit deinem Geiste,
    der uns hier herrlich ziere
    und dort zum Himmel führe.

    15.)Das alles wollst du geben,
    o meines Lebens Leben,
    mir und der Christen Schare
    zum selgen neuen Jahre.

    Paul Gerhardt (1653)

  2. #2

    Standard

    So wie man Weihnachtslieder nur Weihnachten singen kann, kann man dieses Lied auch nur zum Jahreswechsel singen. Ich meine aber, dass das Lied auch über den Jahreswechsel hinaus seine Bedeutung hat. Deshalb stelle ich es hier, eigentlich zur Unzeit,vor.
    Ich möchte mit Bemerkungen zur Form beginnen.

    Der Text umfasst 15 Strophen. Wegen der Strophen drei und zehn wird vermutet, dass der Text in Dreißigjährigen Krieg, also vor 1648 gedichtet wurde.

    In den ersten sieben Strophen wird Gott gelobt und für seine Hilfe und Bewahrung gedankt. Der Dichter benutzt dabei bekannte aber auch ungewohnte Bilder und Vergleiche – Gott als Herr, als himmlischer Vater, als Hüter und Bewahrer. In Strophe vier wird Gott als Mutter beschrieben. Für uns eine ungewohnte Sichtweise, betrachten wir Gott doch gemeinhin als Mann.

    Im zweiten Teil des Textes, also ab Strophe acht, werden verschiedene Bitten an Gott gerichtet: um Beistand im Leiden, um Geduld, um Frieden, um Gesundheit, um Rat, um den heiligen Geist.

    Bemerkenswert erscheint mir dabei das
    „gib fröhliche Gedanken… (denen) die sich mit Schwermut quälen“.
    Dem Dichter scheinen Schwermut und Traurigkeit bekannt zu sein. Dabei gelten Melancholie oder gar Depression eher als ein Leiden der Neuzeit.

    Die Gedichte von Paul Gerhardts sind nicht nur schöne und kunstvolle Verse. Sie sind auch und vor allem praktische Theologie und angewandte Seelsorge.

    Unter praktischer Theologie verstehe ich Aufforderung in der ersten Strophe
    „…mit Singen und mit Beten zum Herrn…“
    Ich sehe darin eine Anweisung, wie wir unsere Zusammenkünfte und Gottesdienste gestalten sollen.

    In Ps127 heißt es sinngemäß:
    „Wo der Herr nicht wacht, wacht der Wächter vergebens. Wo der Herr nicht baut, bauen die Bauleute vergebens.“

    An diese Worte scheint der Dichter gedacht zu haben, wenn er in der 6. Strophe schreibt

    Ach Hüter unsers Lebens,
    fürwahr es ist vergebens
    mit unserm Tun und Machen,
    wo nicht dein Augen wachen.

    Der Dichter geht dabei über die Aussagen des Psalmisten hinaus. Das „Tun und Machen“ deute ich so, dass alles menschliche Handeln ohne Gottes Hilfe vergeblich ist und scheitern kann. Wenn ich damit Recht habe, dann gilt das auch für unsere Zusammenkünfte. Es ist dann mehr als nur gute Gewohnheit, wenn wir für deren Gelingen beten.

    Als praktische Theologie verstehe ich auch die Bitte in Strophe 13: „Füll’ uns mit deinem Geiste“. Der Dichter betrachtet den heiligen Geist als Helfer im Leben und Führer zum Paradies. Deshalb halte ich es für angemessen, wenn der Dichte die Bitte um den HG als das Wichtigste bezeichnet „Und endlich was das Meiste…“

    Diese Kombination von Seelsorge und Theologie schätze ich an Paul Gerhardt, weshalb
    er mein Lieblingsdichter ist.

    Gruss Gerd
    Geändert von Gerhardt (23.02.2010 um 23:10 Uhr)

  3. #3

    Standard

    ich kenne paul gerhardt nicht oder zumindest nicht bewust vielleicht is mir das eine oder andere gedicht von ihm auch schon begegnet aber das hier gefällt mir gut und auch deine gedanken dazu find ich interesant je nach lebenslage tun einem solche zeilen wirklich gut und wie du auch sagst scheint der autor auch selber viel erlebt zu haben und verarbeitet das in seinen texten gefällt mir

  4. #4
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    7

    Standard

    Gerhardt, dieses Lied möchte ich dir heute mal vorspielen und bin gespannt, ob es dir gefällt :)


  5. #5

    Standard

    Liebe Fisch,
    was soll ich nun antworten? Zur Interpretation sage ich besser nichts, bin ich doch im Gegensatz zu Dir unmusikalisch und kann nicht einmal Noten lesen.

    Was den Text angeht, so habe ich damit meine Probleme. Aber das waere sicherlich einen eigenen Thread wert.
    Gruss Gerd


 

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