So wie man Weihnachtslieder nur Weihnachten singen kann, kann man dieses Lied auch nur zum Jahreswechsel singen. Ich meine aber, dass das Lied auch über den Jahreswechsel hinaus seine Bedeutung hat. Deshalb stelle ich es hier, eigentlich zur Unzeit,vor.
Ich möchte mit Bemerkungen zur Form beginnen.
Der Text umfasst 15 Strophen. Wegen der Strophen drei und zehn wird vermutet, dass der Text in Dreißigjährigen Krieg, also vor 1648 gedichtet wurde.
In den ersten sieben Strophen wird Gott gelobt und für seine Hilfe und Bewahrung gedankt. Der Dichter benutzt dabei bekannte aber auch ungewohnte Bilder und Vergleiche – Gott als Herr, als himmlischer Vater, als Hüter und Bewahrer. In Strophe vier wird Gott als Mutter beschrieben. Für uns eine ungewohnte Sichtweise, betrachten wir Gott doch gemeinhin als Mann.
Im zweiten Teil des Textes, also ab Strophe acht, werden verschiedene Bitten an Gott gerichtet: um Beistand im Leiden, um Geduld, um Frieden, um Gesundheit, um Rat, um den heiligen Geist.
Bemerkenswert erscheint mir dabei das
„gib fröhliche Gedanken… (denen) die sich mit Schwermut quälen“.
Dem Dichter scheinen Schwermut und Traurigkeit bekannt zu sein. Dabei gelten Melancholie oder gar Depression eher als ein Leiden der Neuzeit.
Die Gedichte von Paul Gerhardts sind nicht nur schöne und kunstvolle Verse. Sie sind auch und vor allem praktische Theologie und angewandte Seelsorge.
Unter praktischer Theologie verstehe ich Aufforderung in der ersten Strophe
„…mit Singen und mit Beten zum Herrn…“
Ich sehe darin eine Anweisung, wie wir unsere Zusammenkünfte und Gottesdienste gestalten sollen.
In Ps127 heißt es sinngemäß:
„Wo der Herr nicht wacht, wacht der Wächter vergebens. Wo der Herr nicht baut, bauen die Bauleute vergebens.“
An diese Worte scheint der Dichter gedacht zu haben, wenn er in der 6. Strophe schreibt
Ach Hüter unsers Lebens,
fürwahr es ist vergebens
mit unserm Tun und Machen,
wo nicht dein Augen wachen.
Der Dichter geht dabei über die Aussagen des Psalmisten hinaus. Das „Tun und Machen“ deute ich so, dass alles menschliche Handeln ohne Gottes Hilfe vergeblich ist und scheitern kann. Wenn ich damit Recht habe, dann gilt das auch für unsere Zusammenkünfte. Es ist dann mehr als nur gute Gewohnheit, wenn wir für deren Gelingen beten.
Als praktische Theologie verstehe ich auch die Bitte in Strophe 13: „Füll’ uns mit deinem Geiste“. Der Dichter betrachtet den heiligen Geist als Helfer im Leben und Führer zum Paradies. Deshalb halte ich es für angemessen, wenn der Dichte die Bitte um den HG als das Wichtigste bezeichnet „Und endlich was das Meiste…“
Diese Kombination von Seelsorge und Theologie schätze ich an Paul Gerhardt, weshalb
er mein Lieblingsdichter ist.
Gruss Gerd
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