Elternschaft wird heute subjektiv als eine zunehmend schwieriger zu bewältigende Gestaltungsaufgabe mit hohen Erwartungen erlebt, was zu einer massiven Verunsicherung von Eltern führt. Die Elternschaft wird von manchen als so komplex und anspruchsvoll wahrgenommen, dass sie dem eigenen Empfinden nach den gesetzten hohen Ansprüchen kaum genügen kann. Die Erziehungsqualität betrachten viele moderne Eltern voller Selbstzweifel, sie sind verunsichert und empfinden sich mit großen Defiziten behaftet. Viele Mütter und Väter haben die Fähigkeit und das Gespür dafür verloren, wie man ein Kind so erzieht, dass es sich in die Gesellschaft einfügen kann, wobei oft gerade jene die meisten Probleme haben, die verzweifelt versuchen, alles richtig zu machen. Das liegt teilweise daran, dass sie nicht mehr wissen, was richtig und was falsch ist. Die Krise der Elternerziehung reflektiert den komplexen Wandel der Gesellschaft, denn die Familie befindet sich am Beginn des 21. Jahrhunderts in einem dramatischen Übergangsprozess, denn gab es früher einen unausgesprochenen Konsens darüber, wie Kinder erzogen werden sollen - angefangen von klaren Autoritäten, die notfalls auch das Recht zur körperlichen Züchtigung hatten, bis hin zum üblichen Bildungs- und Ausbildungsverlauf, so existiert ein solches gesellschaftliches Übereinkommen nicht mehr.
Die heutige Kleinfamilie lebt relativ isoliert und vermittelt kein verinnerlichbares Familienideal mehr, was auch an den neuen Strukturen wie Alleinerzieher und Patchwork-Familien liegt, die anderen Gesetzmäßigkeiten folgen. Im Vergleich zu früher ist heute vieles auch individueller geworden, wobei besonders Mittelschichtseltern einen ganz eigenen, individuellen Erziehungstil in Anspruch nehmen, etwa indem Regeln familienspezifisch und situationsbezogen ausgehandelt werden. Wo früher die Diskussion zu Ende war, fängt sie heute erst an, nämlich im Aushandlungsprozessen von Konflikten, was viel Zeit kostet. Einerseits ist alles individueller geworden und es gibt heute sehr viele Freiräume für die Eltern, die Erziehung zu gestalten. Auf der anderen Seite ist der normative Druck auf viele Eltern doch gestiegen, ob das jetzt mit dem Schulerfolg zu tun hat oder schon bei Vergleichen mit anderen Kindern im Kindergarten. Eltern stellen sich mehr Fragen danach, wie sie ihr Kind besser fördern können, um ihm eine bessere Startposition zu ermöglichen. Das Verhältnis Eltern-Kind ist häufig nicht mehr das klassische vom Erzieher zu einem zu Erziehenden, sondern es findet schon früh auf gleicher Augenhöhe statt. Man fragt nach den Bedürfnissen und den Interessen, wobei manchmal Kinder auch mit Entscheidungen überfordert werden, die sie gar nicht treffen können.
Mit dem Druck, dem eigenen Kind, das häufig das einzige ist, möglichst früh ein gutes Rüstzeug mit auf den Weg zu geben, führt in der Erziehung zu einer kindzentrierten Einstellung, wobei Familien, die als "intakt" empfunden werden, und alles für ihre Kinder tun, oft vor einem sehr unbefriedigenden Ergebnis ihrer Erziehungsarbeit stehen. Erziehungsratgeber und Elternbildungskurse, bei denen verunsicherte Eltern Zuflucht suchen, verwirren mir ihren einander widersprechenden Ratschläge oft noch mehr, denn propagieren die einen mehr Strenge, Disziplin und Grenzen, argumentieren die anderen für mehr Liebe und Gelassenheit und eine gesunde Bindung zwischen Mutter und Kind, ohne die eine erfolgreiche Erziehung nicht funktionieren kann. Dazwischen verkümmert die elterliche Intuition.
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Vieles, was früher in den Elternhäusern geleistet wurde, ist heute der Schule aufgegeben. Viele Schüler verfügen nicht mehr über die ihrem Alter angemessene Impulskontrolle, eine Fähigkeit, die Voraussetzung für alles Lernen ist, aber auch eine Fähigkeit, die durch bloße verbale Ermahnungen allein nicht ausgebildet werden kann, weil Emotionen und Gefühle mächtige Mitspieler im Prozess der Erziehung sind.
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