Nun, ich sehe vieles ähnlich wie der Rest von euch und doch bin ich in anderen Punkten wieder etwas vorsichtig. Es steht für mich außer Frage, dass körperliche Gewalt eigentlich nichts mehr in der Erziehung zu suchen hat, vor allem nicht so etwas gezieltes wie in diesen Artikeln befürwortetes. Es ist auch in meinen Augen mehr als fragwürdig, ein solches Bild zu propagieren, wobei ich nicht wenige bibeltreue Christen kenne, die genau das als ihre Verpflichtung vor Gott erkennen. Ich denke hierzu muss man weiter keine Worte verlieren.
Aber auch Menschen außerhalb dieser ideologischen Schiene greifen manchmal zur Gewalt, wieso? Oftmals ist denke ich dahinter auch eine gewisse Ohnmacht, bei der der Elternteil in einem Gefühl der Hilflosigkeit sich nicht mehr anders zu helfen weiß. Das ist nicht schön und sicherlich nicht ideal, aber um den ganzen Ansprüchen heutiger Maßstäbe der Kindererziehung gerecht zu werden, scheint es mir manchmal ein halbes Pädagogikstudium zu benötigen. Und bei allem Verständnis für die Ablehnung von Gewalt… historisch gesehen hatte sie einen wesentlichen Anteil an der Erziehung und wenn ich meine Großeltern oder meine Eltern sehe, dann sehe ich hier keine gescheiterten Existenzen. Auch ich habe in meiner Kindheit ein zweimal den Hintern versohlt bekommen, in Situationen wo meine Eltern mehr aus Angst als aus Wut überreagierten - einmal z.B. weil ich das elterliche Verbot ignorierend mich in den Schuppen meiner Großeltern geschlichen habe um mit der Kreissäge zu spielen. Und ich kenne auch die andere Seite, bei der alles Zureden, alle Deeskalationsversuche etc. nicht mehr funktionieren und man zu einem Mindestmass an (passiver) Gewalt genötigt ist - trotz der oder zum Teil sogar gerade aus Zuneigung heraus.
Hinzu kommt, dass meiner Ansicht nach oft genug sich aus dem Verzicht auf körperliche Gewalt eine Begünstigung von psychischer Gewalt entwickeln kann, die oftmals sogar noch grausamer und anhaltender ist. Sei es weil dem Kind die Konsequenz egal ist und ein erneutes Fehlverhalten damit nicht wirklich unterbindet sondern weitere Kreise an immer verbisseneren Bestrafungen nach sich zieht, sei es, weil das Kind sich bei solchen Strafen eher mit den erzieherischen Autoritäten anlegt und sich die Situation teilweise hochschaukelt. Denken wir nur einmal an eine der vielen Kriminalserien. Wer unter euch hat es noch nie bedauert, dass der vermeintliche Pädophile sich durch das Gesetz geschützt weiß und mit einem “Du kannst mir doch gar nichts”-Grinsen den Cop auch noch bis aufs Blut reizt. Und wer unter euch - Hand auf Herz - hatte noch nie den heimlichen Gedanken, “Bitte prügle dem Kerl das Grinsen aus dem Gesicht”, auch wenn wir zivilisiert wie wir sind das nie tun würden. Nein, statt dessen wird das Gegenüber mit allen Mitteln gequält, derer man habhaft ist - und die Wut staut sich auf. Zugegeben, es ist ein extremes Beispiel, aber worauf ich hinaus will ist der Umstand, das Gewalt auch nicht pauschalisiert als etwas nur negatives verstanden werden sollte, sondern wir alle manchmal dieses Bedürfnis spüren - und zwar aus gutem Grund.
Ich möchte bitte nicht falsch verstanden werden. Nichts liegt mir ferner als Gewalt zu propagieren. Gewalt ist in meinen Augen immer schon eine Niederlage der Vernunft und sollte zu nahezu jeden Preis vermieden werden. Und definitiv ist ein gezielter Einsatz von Gewalt (wie auf diesen Seiten befürwortet) abzulehnen, auf der anderen Seite aber fällt es mir schwer einen Menschen zu verurteilen, der in einer Ausnahmesituation zu leichten Schlägen oder einem Klaps greift, denn auch er ist unter gewissen Umständen ein Opfer, dass sich eben nicht anders zu helfen weiß. Diese Menschen müssen wir unterstützen, nicht verurteilen…..
Lesezeichen