Leise Rufe

Die Katze hatte ihre Jungen im Gästebett im Erdgeschoss bekommen, wir fanden das keine gute Idee und legten die Kleinen vorsichtig in einen Pappkarton, den wir mit weichen Stoffresten ausgelegt hatten und vor den Ofen in der Küche stellten.
Doch die Katzenmutter hatte anderes im Sinn. Wir beobachteten amüsiert, wie sie lautlos in die Küche kam, Witterung aufnahm, in den Karton sprang und das erste Kätzchen im Nacken packte, um es zurück ins Gästezimmer zu bringen.
Das wiederholte sie so lange, bis nur noch das kleinste und schwächste Kätzchen des Wurfs zurückgeblieben war. Diesmal kam die Mutter nicht zurück. Vielleicht war sie erschöpft von den Anstrengungen oder musste zuerst einmal die anderen Jungen füttern.
Wir warteten.
Nach einer Weile gab das winzige Kätzchen im Karton ein kaum hörbares Fiepen von sich. Fast ohne zeitliche Verzögerung erschien die Mutterkatze lautlos in der Küche, sprang wieder gewandt in den Karton und trug auch das kleinste Kätzchen hinüber ins Gästezimmer.


Zwischen dem Gästezimmer und der Küche lagen drei Türen, zwei Räume und zwei Flure, und doch hatte sie ihr Kind gehört.
Als unsere große dänische Dogge ihren ersten Wurf Welpen hatte (es waren zwei Wurfe, um genau zu sein), suchte sie sich einen Busch vor dem Küchenfenster für ihre Niederkunft aus. Doch nach der Geburt überlegte sie es sich anders und nahm das größere der Jungen am Nacken, um es doch lieber in ihre Hundehütte zu bringen (die auf der anderen Seite des Hauses stand). Etwas verantwortungslos vergaß sie dann, auch den zweiten Welpen zu holen.
Nach einer Weile bekam der Kleine Hunger. Er gab diese Töne von sich, die neugeborenen Welpen eben machen, nur dass es besonders leise war. Ich konnte seine Mutter herangaloppieren hören, noch bevor ich sie sah. Mit einem Schlittern kam sie vor dem Welpen zum Stehen, fasste ihn behutsam im winzigen Nacken und trug ihn hinüber zu ihrem anderen Neugeborenen.


Sowohl die Welpen als auch die Kätzchen hatten Töne von sich gegeben, die man wirklich kaum hören konnte. Auch wir müssen uns nicht mit lauten oder durchformulierten Gebeten an unseren Vater wenden. Es müssen nicht einmal Hilferufe sein. Der Bibel zufolge reagiert Gott bereits auf das kleine Seufzen, auf unsere Tränen, unser verwirrtes Murmeln und sogar unsere unausgesprochenen Sehnsüchte.

Ruth Bell Graham („Solange du mich brauchst“ von Alice Gray)

Der Herr ist denen nahe, die ihn anrufen.
Er kann sogar unser Atem hören,
wenn wir zu schwach zum Sprechen sind.
(John Trapp)