Das Thema Bibel und Homosexualität ist mir wichtig. Es ist aber auch ein schwieriges Kapitel, da es über die Interpretation der Bibel keine einheitliche Meinung gibt. Ist jedes Wort der Bibel normierendes Gotteswort oder sind auch die Aussagen der Bibel zeitgebunden. Wir wissen heute, dass die Erde eine Kugel ist und keine Scheibe, die auf Säulen ruht.

Ich verstehe die Texte des Alten und Neuen Testaments als das Wort Gottes. Dieses Wort Gottes erging jedoch an ganz bestimmte Menschen zu ganz bestimmten Zeiten. Menschen machten Gotteserfahrungen und schrieben diese neider. Dies zu beachten ist wichtig bei der Interpretation der biblischen Aussagen zum Thema Homosexualität. Es muss immer die Entstehungsgeschichte und die Fuktion der jeweiligen Aussage mitbedacht werden. Auffällig ist, dass das Thema in der Bibel nur eine beiläufige Erwähnung findet. Weder bei den Propheten des AT, noch bei Jesus wird es erwähnt. Die Stellen, in denen von Homosexualität gesprochen wird, verurteilen diese jedoch unzweideutig.

Der genannte Text steht in dem großen Zusammenhang von Römer 1, die Verse 18-3,20: die generelle Bestandsaufnahme des Zustandes der Menschlichkeit. Alle Menschen stehen schuldig da vor Gottes Gerechtigkeit, gefangen von der Sünde und außerstande, sich selbst zu retten. Das Heil wird nicht durch das Gesetz gewährt, sondern durch die Gerechtigkeit aus Glauben. Der Mensch, der nicht glaubt, unterliegt dem Zorn Gottes. Dies wird am Fall der Heiden gezeigt. Grundsätzlich kann Gott in seiner Schöpfung erkannt werden, aber die Menschen haben diese Erkenntnis verfinstert und sogar Tiere vergöttert. Die Verfehlung der Gotteserkenntnis hat zur Folge, dass Gott die Menschen auf dieses Verhalten festlegt.

Als solches Verhalten erscheinen im ersten Abschnitt sexuelle Lasterhaftigkeit und Götzendienst, zuerst eine ganze Anzahl nicht sexueller Laster und dann eben spiezell die Homosexualität. Vom Kontext her gilt hier also Homosexualität als ein Handeln, das der Erkenntnis des in seiner Schöpfung offenbaren Gottes widerspricht.

Der zweite Abschnitt erscheint als ein Spezialfall des ersten, welcher Götzendienst und sexuelle Lasterhaftigkeit überhaupt zusammenstellt.

Wie kommt Paulus dazu, den Götzendienst sofort mit sexuellen Lasterhaftigkeit - und da insbesondere mit der Homosexualität in einem Zusammenhang zu bringen? Das Verfehlen der Erkenntnis Gottes wird im Götzendienst, also im Verfehlen des ersten Gebots, manifest. Aber wie kommt es, dass der Götzendienst sofort mit den sexuellen Bereich verknüpft wird?

Paulus partizipiert hier in aller Selbstverständlichkeit an seiner jüdischen Tradition: Götzendienst und Unzucht bilden einen radikal abzulehnenden Zusammanhang. Und in der Begegnung mit der hellenistischen Kultur tritt besonders die Homosexualität als solche Unzucht ins Blickfeld. Paulus bezeichnet weiter Homosexualität als widernatürlich und Heterosexualität als natürlich. amit bringt Paulus den Begriff Natur ins Spiel. Dieser Begriff aber ist nicht eindeutig. Denn auch bei Paulus wird etwas als natürlich behauptet, was sich lediglich als eine bestimmte Konvention enpuppt (vgl. 1. Kor. 11,14f)

Im griechischen Kulturbereich wurde von manchen Schriftstellen Homosexualität genauso als natürliche Veranlagung erklärt wie Heterosexualität!

Man muss bzw. man kann Paulus theologisch widersprechen, denn der Homosexuelle trifft keine Entscheidung gegen seine Natur, sondern in Entsprechung zu seiner Natur, die eben homosexuell und nicht heterosexuell ist.

Ich denke, eine kritische Auseinandersetzung der biblischen Texte ist wichtig. Eine einseitige Handhabung der biblischen Stellen führt meist dazu, dass mögliche Texte in der Bibel über Homosexualität und homosexuelle Handlungen wie unumstößliche Aussagen der Heiligen Schrift zur Homosexualität behandelt werden.

Wir müssen theologisch und wissenschaftlich uns fragen, inwieweit uns diese biblischen Aussagen binden. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder fundamentalistisch - und damit würden die Aussagen des Paulus wörtlich in die Gegenwart übernommen - oder historisch und damit relativierend. Vertreter der fundamentalistischen Postion müssten die Todesstrafe für homisexuelle Praxis unter Rekurs auf die Bibel einführen. Streng genommen geht aber jeder Christ relativierend mit der Bibel um, er stellt bestimmte Aussagen in Frage oder mildert ab.

Ein theologischer Ansatz, der Homosexualität als Perversion und widernatürlich, als Verirrung oder Ähnliches versteht, wird im christlich-kirchlichen Verhalten zu dem Homosexuellen hinter diese grundsätzliche Einschätzung nicht mehr zurückgehen können - damit will ich sagen: Homosexuellem als wirklich gleichberechtigten und gleichwertigen Menschen nicht begegnen können. Will man das nicht, gibt es nur den Weg der biblischen Beurteilung der Homosexualität zu relativieren. Wenn ich historisierend an den biblischen Befund herangehe, muss ich mich fragen, was ich als natürlich heute vertreten will. Tatsächlich ist Homosexualität eine sexuelle Orientierung von Menschen, neben ihr gibt es die heterosexuelle oder die bisexuelle Beziehungen auf die Sexualpraxis und sieht diese sexuelle Orientierung offenkundig als ein Ergebnis freier Wahlmöglichkeiten.

Diese Einschätzung durch Paulus kann nicht den Rang einer absoluten und ewigen Wahrheit beanspruchen. Die sexualität ist eben unterschiedlich gestaltet und von Gott her geschaffen! Wie man sieht und feststellen kann, einfach so über die Homosexualität abzuurteilen ist nicht einfach und nicht richtig - das Thema ist zu komplex, um nur einfache Antworten zu finden oder zu haben. Ich kann nur jeden raten, sich ernsthaft mit den biblischen Texten tiefer zu befassen - einen Vers aus einem Zusammenhang zu nehmen ist sehr einfach - man sollte schon wissen, was dahintersteht und was tatsächlich gemeint ist.