Nein NetKrel, natürlich nicht. Kritiker braucht es, das sehe ich ganz genau so. Und ich würde mich selbst auch eher als Kirchenkritiker sehen. Nur sowohl in der Art der Kritik als auch in ihrer „Begründbarkeit“ gibt es doch Unterschiede, oder? Und als Kritiker darf man eben auch ihre positiven Seiten sehen, sonst ist man in seiner Kritik auf einem Auge blind.^^Zitat:
Zitat von NetKrel
Natürlich würde ich dir darin zustimmen, dass beides eine absolute Notwendigkeit darstellt. Wenn wir aus der Geschichte nichts lernen, wären wir verdammt dieselben Fehler immer und immer wieder zu wiederholen. Dennoch denke ich, muss bei einer Kritik immer auch geschaut werden, mit welcher Blickrichtung ich kritisiere. Sowohl eine Kritik am Gottesbild als auch an der damaligen Theologie scheint mir völlig begründet. Aber deine Kritik schießt meiner Ansicht nach zum Teil darüber hinaus, wenn du Fehler einer Institution oder einer Person generalisierst. Stell dir einmal vor, wir würden aus der berechtigten Kritik gegenüber dem früheren Umgang mit Menschen homosexueller Neigungen innerhalb unseres Landes eine grundsätzliche Kritik an der deutschen Demokratie ableiten, weil sie eben nur das eine Gesetz abgeschafft hat, sich aber nicht von ihrer grundsätzlichen und schon damals bestehenden Rechtsordnung distanziert. Oder schau mal deine Bemerkung zu Luther. Natürlich ist Luthers Ansicht zu den Juden heute nicht mehr haltbar, aber ist deshalb seine ganze Theologie diskreditiert? Man muss doch Vielzahl der Ansichten und Argumentationsstrukturen einer Person voneinander differenzieren. Oder würdest du die griechische Philosophie verwerfen, weil manche ihrer Denker Päderasten waren? Oder einen Denker der Aufklärung verwerfen, weil er z.B. die Sklaverei befürwortete oder die mindere Stellung der Frau bejahte? Auch Sarandonon hat mit dem Verweis auf die Wissenschaft und dem Missbrauch ihrer Möglichkeiten ein Beispiel erbracht. Du überträgst deine berechtigte Kritik meinem Eindruck nach eben auch auf die Institution, welche Träger dieser Theologie ist und machst daraus zum Teil auch eine Charakterfrage. Ich denke auch du kannst nicht wollen, dass man alle deine Ausführungen generell ablehnt, nur weil du in machen Punkten etwas… sagen wir in deinem Ton aus dem Rahmen fällst.^^Zitat:
Zitat von NetKrel
Und man darf auch nicht aus den Augen verlieren, dass ein großer Teil der jeweiligen Kritik immer auch innerhalb der jeweiligen Institutionen selbst entstanden ist und voran gebracht wurde – siehe mein Beispiel zur Position in der Hexenverfolgung. Auch ist es manchmal schwierig gewisse Entwicklungen in ihrem historischen Kontext korrekt einzuschätzen. Gewisse Bestrebungen mögen aus heutiger Sicht vielleicht sogar zu kritisieren sein, waren aber innerhalb ihrer Zeit eher als positive Entwicklung zu sehen – auch hier kann die Gestaltung der Hexenprozesse als Beispiel angeführt werden. Das dabei andere Aspekte heute nicht mehr unsere Zustimmung finden können, ist aber eine Frage langwieriger Prozesse. Veränderungen bewegen sich in der Regel innerhalb eines gewissen Rahmens, d.h. eine zu radikale Änderung wird in den seltensten Fällen gelingen, weil sie nicht von der Allgemeinheit getragen wird. Wenn du also auf die unrühmliche Geschichte der katholischen Kirche schaust, hast du Recht darin diese zu kritisieren, aber die Institution als ganzes abzulehnen, weil ihre Mitglieder andere Ansichten ihrer Zeit teilten, erscheint mir problematisch.
Naja, „bashen“ ist eine „Form“ der Kritik, keine Zielrichtung. Ohne nun dich in diese Ecke stellen zu wollen, denke ich doch, dass ein „Bashing“ an der Kirche nicht zwingend ein „Bashing“ am Christentum mit einschließt.Zitat:
Zitat von NetKrel
Es gibt in meinen Augen schon einen Unterschied, ob ich das Festhalten an gewissen Vorstellungen heute als Verbrechen sehen würde oder ob ich sie in ihrem lebensweltlichen Kontext betrachte. Da geht es auch meines Erachtens nicht darum Verbrechen weichzuspülen, sondern im Gegenteil menschliches Verhalten korrekt zu beurteilen. Wir würden heute z.B. viele Aspekte der früheren gesellschaftliche Lebensweise verurteilen. Sei es die früher legitime Vergewaltigung in der Ehe, sei es die Todesstrafe, sei es die Sklaverei, die Ungleichbehandlung der Frau usw. Und in zweihundert Jahren wird es andere geben, die uns für unsere Ansichten heute kritisieren. Dennoch würde ich nicht soweit gehen zu behaupten, dass unsere Vorfahren alle Verbrecher waren. Das kannst du eigentlich nur dann so sehen, wenn du davon ausgehst, dass es eine Wahrheit gegeben hat, die schon damals von allen gewusst werden musste. Tust du das?Zitat:
Zitat von NetKrel
Viele Grüße
Lior
P.S.: Ich weiß gerade nicht mehr, wo deine Bemerkung zur Goldenen Regel war – deshalb an dieser Stelle. Ich würde aber beides anerkennen, sowohl den Umstand, dass die meisten aus einem umgangssprachlichen Verständnis diese Regel in einem positiven Sinne leben, als aber auch, dass sie rein formal gesehen gewisse Defizite hat. In Bezug auf letzteres würde ich daher eher den kategorischen Imperativ bevorzugen.^^