wer unter uns hat eine Chance?
Hinter Fragen stehen Menschen und im Menschen sind Vernunft und Gefühl.
Überlieferungen sind Geschichten von Menschen mit Vernunft und Gefühl, aus längst vergangenen Ereignissen und Gefühlen. Vernunft und Gefühl sind, im Mensch, nicht voneinander trennbar. In überlieferten Geschichten sind oft Gefühl und Vernunft getrennt und man kann sich, als Lesender und als Nichtzeuge, dessen was geschah, nicht mehr sicher sein, was da und wie in der überlieferten Geschichte es wirklich war und ob was wie wirklich wahr darin ist. Und so erweckt so manche überlieferte Geschichte tiefe Gefühle und berührt die Vernunft. Diese Gefühle, zur überlieferten Geschichte sind aber nun Real.
Wenn wir nachsinnen und forschen, dann könnten wir in Erfahrung bringen, dass die Überlieferungen, von Judas Iskariot, wahrscheinlich aus dem 1. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung entspringen. In wie weit Zeugen, von Judas Iskariot, die letzten mündlich weitererzählten Geschichten, über Judas, noch hörten und in wie weit die ersten Aufschriften diesen Zeugen von Judas Iskariot noch bekannt waren, das ist heutzutage nicht mehr rekonstruierbar. Sicher ist, dass es diese Uraufschriften nicht mehr gibt. Vielmehr kennt man wenige Abschriften von Abschriften und diese mit unterschiedlichen Abweichungen und selbst davon sind nicht alle in die christliche Bibel mit übernommen worden.
Nach welcher Chance von Judas Iskariot fragten wir dann, wenn wir dem oben geschriebenen, in irgendeiner Weise, zustimmen würden?
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Als ich das erste Mal die Evangelien las und da war ich bereits 30 Jahre alt und dennoch war ich damals völlig unberührt von christlichen Denken und Informationen, schollt mich mein Onkel.
Er meinte, vielleicht weil er sehr jüdisch orthodox gläubig war und heute noch ist, dass ich Satan versuche, in dem ich die christliche Bibel lese.
Satan ist für viele Juden und auch für mich kein Teufel unter der Erde und am Höllenfeuer, sondern entspricht dem was das Wort Satan auch auf Deutsch heißt, denn es heißt Ankläger. Für mich heißt das, wenn man oder wer auch immer, anklagt und zwar gegenüber dem was ist, der stellt in aller letzten Konsequenz die Richtigkeit der Schöpfung in Frage und will diese verbessern, bzw. korrigieren. Ein Ankläger im Menschenrecht ist demzufolge eine fast unschier unlösbare aber notwendige Aufgabe.
Aber zurück zum Thema.
Auf mich wirkten schon die ersten Seiten der christlichen Bibel sonderbar, denn ich las diese damals in spanischer Sprache. Das Tenach (Christen nennen es das Alte Testament) in abgeänderter Reihenfolge und in einer nichthebreischen Sprache zu lesen, wahr zunächst sehr befremdend.
Der Anfang des Buches, des (neuen) Bundes, oder auch (neuen) Testamentes, kostete mich sehr viel Überwindung, allein schon vom Titel dieser Büchersammlung her.
Meine Gefühle rebellierten und meine Vernunft sträubte sich!
Ich verstand nicht, warum eine Abstammung Jesu aufgeführt werden musste und mir schlichen Ideen durch den Sinn, dass hier es der Mühe wehrt sein musste, dass eine eindeutige Identität von Jesus ungeheuerlich wichtig zu sein schien, aber die Weise, wie sie auf dem Papier gefunden wurde, künstlich auf mich wirkten.
Wie gesagt, Gefühl und Vernunft wollten keinen Frieden finden.
Um abzukürzen komme ich nun zu Judas Iskariot.
Ebenso, wie am Anfang der christlichen Bibel, verwirrten mich die verschiedenen überlieferten Geschichten von der Kreuzigung Jesu und die zuvor und danach stattfindenden Ereignisse mit Judas Iskariot.
Inzwischen bevorzuge ich die Jerusalemer Bibel, welche ja in Hebräisch geschrieben wird und mir ist bei dieser Bibelversion bewusst, dass dies einer Übersetzung aus dem Lateinischen und Griechischen entspricht.
Ohne es je wissen zu können, spricht meine Vernunft und mein Gefühl zu mir, dass möglicherweise an dieser Überlieferung zu Judas Iskariot etwas fehlt, etwas vielleicht anders gewesen sein müsste.
Wenn ich mich auf meine Vernunft konzentriere, dann wird sie stolz und erzählt mir von der Logik und zwar, dass Jesus zuerst getötet werden musste, ehe er auferstehen könnte und es dazu eben Helfer und Helfershelfer geben musste und dass nicht alle Helfer sich bewusst sein konnten, was und wem sie geholfen hätten und sie dies unter Umständen jäh bereut haben könnten.
An dieser Stelle dringt aber doch mein Gefühl hindurch und fragt schmerzhaft, „Warum aber Judas, ein Judäer? Hätte es nicht ein Römer sein können?“
Diesem Kampf, meiner Gefühle und der Vernunft, versuche ich dann, im Gebet, zu entfliehen.
Irgendwie und irgendwoher stellt sich dann zumeist ein Frieden ein und dieser schweigt im Heute und im Jetzt.
Ich selbst würde nicht die Frage derart stellen und zwar ob Judas Iskariot eine Chance hatte oder nicht, sondern ich würde fragen ob ich eine Chance habe zu verstehen oder nicht.
Lehit Isaak