Lieber Luxdei, ich möchte einmal aus religionshistorischer Sicht antworten, denn du beziehst dich ja auf die Exegese zu der sog. Versuchungsgeschichte.
In der Zeit Jesu gab es auch auf Israel verschiedenste hellenistische Einflüsse, die religionshistorisch wirksam wurden. Ganz besonders deutlich wird das am Schriftgut der Essener, die den Dualismus (Gut gegen Böse) erneut aufgreifen und mit apokalyptischen Szenarien ausschmücken. Ein nicht unwesentlicher Teil aus der sog. Johannesapokalypse ist davon deutlich und unübersehbar beeinflusst. Noch deutlicher trifft dies auf die frühchristlichen apokryphen Apokalypsen zu.
Persische Einflüsse, die insbesondere durch den Hellenismus auf die damalige westliche Welt einwirkten und sich mit Totenreichvorstellungen der Ägypter, Griechen und Römer verbanden, fanden in der Antiken Welt einen fruchtbaren Boden, da sie ungelösten Menschheitsfragen (nach Gut und Böse) offensichtlich denkbar einfache Antworten gab. Die Platonische Aussage, Gott ist das Urgute und Urreine Prinzip, aus diesem könne nichts Negatives kommen, schaffte ein Spannungsfeld, dass entgegen der Menschheitserfahrung stand, denn das Böse / Ungerechte war bekannt und erfahrbar im alltäglichen Leben. Die Griechen, Ägypter und Hellenen hatten in sog. Göttermythen bereits Antworten zu geben versucht, indem vom Sturz des Olymp oder Brudermord, etc, fabelhaft gesprochen wurde, um den Ursprung von Bösem zu erklären. Doch wie das Urgute und Urreine Prinzip diesen Zustand dulden konnte und vor allem wie der Mensch im Spannungsfeld dieses göttlichen Dramas zum Spielball der Mächte wurde, fand keine Beantwortung.
Genau hier setzt der hellenistische Ansatz an, indem es einen Antigott, ein Visa Vis zu Gott setzt, dass durch göttliche Helden – Halbgötter bekämpft werden muß. Ob Mithras, Dionysios, Herakles, Attis, Hermas, hellenistischer Jesus, etc, etc, all diese Gottessöhne finden hier ihre Entstehung und ihren religiösen Kult. Sie sind die Kämpfer gegen das Urböse, die böse Urschlange (Ugarit), die die Menschheit in den Abgrund gestürzt hat (im Gegensatz dazu die ägyptische Version der Schlange als Heilsbringerin).
(Wir müssen schon sehr tief – in die religionsgeschichtliche Frühgeschichte eintauchen, um diese Entwicklung zu verstehen.)
Auch in Israel stellten sich diese Fragen nach dem Woher und Wohin, nach Gut und Böse, wofür die Klagelieder, Kohelet und manche Psalmen stehen. Und freilich hat insbesondere der babylonische Einfluss auch hier seine Spuren hinterlassen (Dualismus). Allerdings ging man eben nicht soweit, neben Gott einen Antigott zu personifizieren, sondern sah alles von Gott ausgehend. Allerdings wird ebenso von ungehorsamen Göttern berichtet, wie ich schon ausführte (deutlich babylonische Einflüsse) die jedoch in der Theologie Israels keine Weiterentwicklung fanden und nur zum äußersten Randbereich gehören. Gott als absoluter Imperator Rex kann neben sich keinen Antigott dulden, keine Schattenmacht, keinen Nebengott (Jesaja). Damit war jeglichem Ansinnen der Personifizierung eines Nebengottes der Riegel vorgeschoben. Die Antwort Israels auf seine Umwelt war klar, es gibt keinen Gott außer Gott dem Einem, uneingeschränkt, wie im Guten so im scheinbar (für Menschen) Bösen und der Mensch hat die Wahl zwischen Gott dem Guten und Gott dem Bösen. Der Mensch steht im Spannungsfeld Gottes und nicht der Götter oder Antigötter, der Mensch steht vor der Wahl, mit Gott oder ohne Gott.
Genau darauf bezieht sich Jesus auch in seinem Lehrgut, der die Selbstverantwortung des Menschen betont und eben einer billigen Antigotttheorie eine deutliche Absage erteilt (Lobseligpreisungen). Der Mensch steht vor der Wahl Frieden zu schaffen, sich den Geboten Gottes hinzugeben, sich selbst zu überwinden, gegen sich selbst den Kampf des irdisch – egoistischen zu führen, etc. Daneben schwingt aber auch für Jesus gelegentlich der Kampf gegen mythische Dämonen (Totengeister) mit. Dieser Komplex (Dämonen) haben jedoch keines Wegs etwas mit einem Satan zutun, dass hat erst die christliche Theologie miteinander verbunden – in Anlehnung an andere Kulte der Antike und ihren Theologien.
Die Selbstüberwindung Jesu ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Mensch gegen seinen eigenen inneren „Schweinehund“ kämpfen muß, um sich dem Anliegen Gottes stellen zu können. Ein Kampf, den fast alle „Großen“ hinter sich bringen mussten, entbehrungsreich, ein Weg voller innerer Hindernisse und Kämpfe, um sich ihrer „Menschlichkeit“ zu entäußern, um sich der Sichtweise Gottes anzunähern.
Um was es Jesus und auch dem Judentum in seinem Lehrgut geht, ist die Eigenverantwortung des Menschen gegenüber Gott. Ein Gott, der nicht weniger verlangt, als dass dein Du zum Ich wird. Hier hat eine Theologie von einem Antigott, dem die Menschen unterworfen sind keinen Platz, sondern nur die Theologie: Seid Heilig, denn Ich bin Heilig.
Wenn wir von Versuchung und Täuschung sprechen, was sogar griechische Textbefunde belegen, dann geht es letztlich darum, dass es keine einfachen Wege zu Gott gibt, wir uns eben nicht von einem billigen Weg täuschen lassen dürfen, den wir in unseren Phantasien nur all zu gerne ausmahlen. Wir uns eben nicht dazu versuchen lassen dürfen, die leichten und bequemen Entscheidungen zu treffen. Wir immer 100 % ig Gott folgen sollen (die Frage nach dem größten Gebot), es keinen Spielraum für Macht, Reichtum, puren Egoismus, Kapitalismus, etc in einem Dasein mit Gott geben kann. Alles was sich den unterordnet ist eben nicht Selbstüberwindung, sondern sich der Versuchung irdischen Daseins hinzugeben, sich der Täuschung zu überlassen, alles wird schon gut. Nichts wird gut, dass sagt Jesus, dem Menschen ist es unmöglich in das Königtum der Himmel zu kommen, doch Gott ist alles möglich, doch bis dahin sollst du Mensch sein, Mensch – nach Gottes Ebenbildlichkeit im Guten.
Es ist ein äußerst billiger Weg, seine Selbstverantwortung und Selbstverfehlung auf ein himmlisches Wesen zu projizieren und dann durch die Annahme von Himmlischen Helden Erlösung von diesen Verfehlungen zu erhoffen. Dieses hellenistische Prinzip, ich führte die bekanntesten oben schon an, können laut Jesu Aussage eben nicht diesen Effekt bei Gott erzeugen. Denn es ist und bleibt des Menschen erste Aufgabe sich selbst zu überwinden und die Welt in der wir leben im Sinne Gottes zu gestalten. Indem man diese Lebensaufgabe ablehnt und einem Satan andichtet gibt man seine persönliche Verantwortung für unser Dasein ab und genau das spiegelt sich im Dasein unserer Welt wieder, eine Welt, die durch Leid, Krieg, Armut, Kapitalismus und Ungerechtigkeit geprägt ist. Und logischer Weise sind die Menschen / Völker die Gewinner, die genau diese Theologie am erfolgreichsten postulieren. Denn was kann „ich“ denn dafür, schließlich gehört diese Welt ja dem Satan …
Absalom