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Ergo kann ein Wissenschaftler Gott sicherlich finden, nicht aber die Wissenschaft als Disziplin bzw. Methode. Zudem würde ich nicht zwingend sagen, dass Wissenschaft nach der Wahrheit sucht. Sie sucht nach Erkenntnissen, aber immer in dem Bewusstsein, dass alle Erkenntnisse nur vermeintliche und zeitlich begrenzte „Wahrheiten“ sind. Die Kenntnis einer absoluten Wahrheit setzt aber auch ein absolutes Wissen voraus, denn ansonsten sprechen wir „nur“ von Glauben. Und auch wenn ich deine hohe Meinung von der Wissenschaft bewundere, ich denke so vollkommen werden sie zumindest zu Lebzeiten nicht.
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Wissenschaft sucht Gott
von Peter Ripota
Jede neue Erkenntnis rückte Gott in weitere Ferne: Kopernikus entthronte die Erde, Darwin den Menschen als Mittelpunkt des Kosmos. Heute, im Zeitalter der gigantischen Atomzertrümmerungsanlagen und nur 20 Jahre vor der Entdeckung der Weltformel (nach Meinung von Stephen Hawking), ist der Glaube an Gott praktisch überflüssig.
An diesen Behauptungen, die in etwa gängige Auffassungen wiederspiegeln, ist so gut wie alles falsch. Fast alle Wissenschaftler waren gläubige bis tiefgläubige Menschen. Nur Galilei kümmerte sich nicht um Gott (wohl aber um die Inquisition), und einige französische Mathematiker und Astronomen ließen sich von den Aufklärern beeinflussen und lehnten Gott ab.
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Notwendigerweise waren die Vorläufer der Wissenschaftler gleichzeitig Theologen. Thomas von Aquin harmonisierte die Philosophie (sprich: Wissenschaft) des Aristoteles mit dem Christentum. Der Theologe Robert Grosseteste sagte im 13. Jahrhundert: "Gott ist der erste Vermesser. Er legt Zahl, Gewicht und Größe von allem fest."
Dieser Gelehrte formulierte auch als erster die heute populäre Urknall-Hypothese: Das Universum entstand aus einem Punkt uranfänglichen Lichts, der sofort zu wachsen begann und so die Sphäre unseres Universums formte. Für Roger Bacon, einem sehr modern eingestellten Denker und Erfinder des 13. Jahrhunderts, war Naturwissenschaft in erster Linie die "Magd der Theologie".
Genauso dachten Johannes Kepler und Isaac Newton. Nikolaus von Kues (15. Jahrhundert) fand den Plan Gottes in der Mathematik. Diesen Plan könne man nur durch Messen und durch Experimente erkennen – Ideen, die erst durch Galilei und Newton populär wurden.
Kopernikus schließlich wollte mit seinem heliozentrischen Weltsystem (die Sonne steht im Mittelpunkt des Alls, nicht die Erde) keineswegs der Kirche eins auswischen. Vielmehr fand er das ptomeläische System mit seinen zahlreichen Hilfskonstruktionen ("Epizyklen") hässlich und eines allmächtigen Gottes unwürdig. Für ihn war die Astronomie ein Weg zu Gott – genauso wie für Kepler und Newton. Kepler beispielsweise sagte: "Es ist absolut notwendig, dass das Werk eines vollkommenen Schöpfers von größter Schönheit ist."
So kommt es auch zu den Naturgesetzen: Sie wurden, laut René Descartes, von Gott eingerichtet, so wie ein König Gesetze in seinem Königreich stiftet.
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Der Begründer der Physik, Isaac Newton, konnte zu seiner Idee einer Fernkraft (Gravitation) nur dadurch gelangen, dass er a) als Alchemist magische Kräfte annahm, und b) als gläubiger Christ an einen allmächtigen Gott glaubte, der solche Kräfte schaffen und erhalten konnte.
Vielen Zeitgenossen Newtons war die Vorstellung einer magischen Fernkraft ein Gräuel; sie ist es heute noch, aber wir haben auf dem Gebiet der Schwerkraft immer noch nichts Besseres gefunden. Indes fragte sich Newton: "Wie kommt es, dass die Natur nichts vergeblich tut, und woher stammt all die Ordnung und Schönheit, die wir in der Welt sehen?" Natürlich von Gott. So sahen es auch Newtons Zeitgenossen. So sehen es viele Physiker und Kosmologen, Chaosforscher und Biologen auch heute, noch oder schon wieder.
Allerdings: Newton nahm an, dass Gott von Zeit zu Zeit in dieser Welt eingreift, um die Dinge wieder ins Gleichgewicht zu bringen, weil die Welt sonst im Chaos versinken würde. Das glaubt heute niemand mehr. Oder doch? Es gibt eine ungewöhnliche Ergänzung zur Quantenphysik, in der die "Wellenfunktion" eines Teilchens, die eigentlich zerfließen müsste, von Zeit zu Zeit durch einen Impuls aus dem Nichts (von wem wohl?) wieder gestaucht wird.
Die These von Ghirardi, Rimini und Weber (1980) behauptet, dass alle hundert Millionen Jahre ein Elementarteilchen wieder "gerade gerichtet" wird. Das scheint nicht viel, doch in einem Objekt von Mausgröße sind 10 hoch 25 solcher Teilchen, sodass es pro Sekunde zehn Milliarden Stauchungen gibt – und jede wirkt sich auf die ganze Maus aus. Gott greift also immer noch ein.
Beschränken wir uns nun auf zwei Wissenschaftler, die das Verhältnis von Wissenschaft und Religion entscheidend prägten: Darwin und Einstein. Charles Darwin war ein tiefgläubiger Mensch und verteidigte die Bibel auf dem Schiff, mit dem er seine Weltreise unternahm, zum Gespött der Seeleute.
Allerdings: Er lehnte das damals gebräuchliche Bild eines überstrengen und stets strafenden Gottes ab. Und: Durch seine Forschungen erkannte er, dass die unterschiedlichsten Lebensformen ("Arten") nicht von Gott ein für allemal geschaffen wurden. Vielmehr entwickeln sie sich weiter, gehen auseinander hervor, sind flexibel.
An einen Fortschritt der menschlichen Entwicklung glaubte Darwin bis zu seinem Lebensende, ebenso wie an einen Gott, der alles geschaffen hat und dann die Welt sich selbst überließ.
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Man sieht: Alles ist relativ. Womit wir zu dem Gelehrten kommen, der das Nachdenken und Reden über Gott wieder in die Physik eingeführt hat: Albert Einstein. "Ich möchte wissen, wie Er (gemeint: der Herrgott) sich die Welt gedacht hat." Das ist in etwa Einsteins Credo. Flüssig und ohne Scheu redet er über Ihn und nimmt Ihn auch als Kronzeugen gegen die verhasste Quantenphysik: "Raffiniert ist der Herrgott, boshaft aber nicht." Und: "Gott würfelt nicht." Vielmehr hat Er die Welt nach einem ordentlichen Plan geschaffen, den zu finden Aufgabe der Wissenschaftler ist.
Einen Gegensatz zwischen Religion und Wissenschaft sah Einstein nicht, im Gegenteil: Die beiden gehören für ihn zusammen. "Einen legitimen Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft kann es nicht geben" meinte er 1930 in einem Artikel in der "New York Times". Denn: "Naturwissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Naturwissenschaft ist blind." Für ihn war ein "kosmisches religiöses Gefühl" das stärkste und nobelste Motiv der wissenschaftlichen Forschung. Denn "In diesem materialistischen Zeitalter sind die ernsthaften Wissenschaftler die einzigen tief religiösen Menschen."
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Grundsätzlich: Naturgesetze kann es nur geben, wenn ein allmächtiger Gott die Welt nach bestimmten Gesetzen geschaffen hat. Die Suche nach der "Weltformel" hat nur Sinn, wenn es eine einheitliche Beschreibung der Natur gibt – und das heißt, wenn die Natur nach einem Masterplan konstruiert wurde.
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So könnte sich eines Tages der Kreis schließen: Nur weil er an Gott glaubte, konnte der Mensch eine exakte Wissenschaft entwickeln. Und nur weil er eine exakte Wissenschaft entwickelt hat, kann er ebendiesen Gott eines Tages wirklich und wahrhaftig erkennen.
Nur ein Egoismus, von dem alle profitieren, ist ein guter Egoismus. Und diesen Egoismus finden wir in der Gemeinschaft, nicht aber in der Gesellschaft.