Zitat:
12. Jahrhundert
Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonides) (RaMBaM)
Philosoph, Arzt, bedeutendster jüdischer Gelehrter des Mittelalters (1138-1204) Spanien / Ägypten
„Die Christen werden in ihrer Torah[3] nichts finden, das im Widerspruch steht zu unserer Torah.“ [4]
„Alle diese Dinge, die sich auf Jesus von Nazareth beziehen, dienten nur dazu, den Weg zu bereiten für den König Messias und die Welt vorzubereiten für die Anbetung G-ttes mit einem einigen Herzen, wie geschrieben steht: ‚Es kommt die Zeit, da will ich den Völkern reine Lippen geben, dass sie alle sollen des HERRN Namen anrufen und ihm einträchtig dienen’ (Zeph. 3:9). Auf diese Weise werden die messianische Hoffnung, die Torah und die Gebote zu einem weit verbreiteten Glaubensgut – unter den Einwohnern der fernen Inseln und unter vielen Nationen, die unbeschnitten in Herz und Fleisch sind.“[5]
[2] zitiert in: PINES, Schlomo, „The Jewish Christians of the early Centuries of Christiantity According To a New Source“, Jerusalem 1966 (vgl. LAPIDE, Pinchas, „Ist die Bibel richtig übersetzt?“, Gütersloh 1986). Bei der zitierten Schrift aus dem 10. Jahrhundert handelt es sich um das Manuskript Nr. 1575 der Schehid Ali Sammlung in Istanbul. Möglicherweise ist das 60 Seiten lange Werk von einem nazoräischen „Judenchristen“ als Angriff auf die Abweichungen auf Seiten der Heidenchristen verfasst worden.
[3] Gemeint sein dürfte das Neue Testament.
Zitat:
14. Jahrhundert
Rabbi Isaac ben Mosche haLevi (Ha’Ephodi)
Arzt, Philosoph und Sprachgelehrter (1350-1415)
Frankreich / Spanien
Zu den Irrtümern der Kirchenväter gehören nach Rabbi Ephodi Jesu angeblicher Anspruch auf die G-ttlichkeit, das Dogma der Dreieinigkeit und Jesu vermeintliche Ablehnung der Torah, „deren Aufrechterhaltung und Ewigkeit der Nazarener sehnlich wünschte“. [10]
„Sei nicht wie deine Väter, welche an den Einen G-tt glaubten, von welchem sie jedwede Vielheit entfernten, die sich in dem Satz ‚Sch’ma Israel’ geirrt und unter ‚echad’ (einzig) die reine Einheit verstanden haben … Du aber tu nicht also! Glaube vielmehr, dass eines drei und drei eines sind, innerlich und wesentlich vereint, was der Mund nicht auszusprechen und das Ohr nicht zu fassen vermag … Sei nicht wie deine Väter, welche sich mit der Spekulation beschäftigten … und die Wahrheit zu begründen suchten. Du aber tu nicht also! Fern sei es von dir … Du müsstest nämlich den Schluss gelten lassen: Der Vater ist G-tt, G-tt ist der Sohn, folglich ist der Vater der Sohn …Deine Väter haben das Brot der Mühsal gegessen, waren oft durstig und hungrig; Du aber hast Deine Seele gerettet, issest und wirst satt an deinem Heiland in dir … Sei nicht wie deine Väter, denen Mosches Lehre zum Erbteil wurde … Du aber nicht also! Du müsstest Dich ja schämen. Beachte keines der biblischen Gebote und Verbote! Freilich haben die Apostel, als Nachkommen Abrahams, die Lehre genau beobachtet, selbst nach dem Tode Jesus, des Messias, und nachdem sie in seinem Namen getauft worden waren. Aber diese und andere Widersprüche wirst du schon lösen; weiß ich ja, dass der heilige Geist auch aus euch spricht und nichts euch verborgen bleibt.“ [11]
[10] zitiert in: LAPIDE, ebd.
[11] Rabbi Ephodi, Sendschreiben „Al tehi ka-Awotecha” (“Sei nicht wie deine Väter”), Konstantinopel 1554; Ephodi schrieb diesen mit subtiler Ironie verfassten Brief 1396 an seine jüdischen Brüder in Reaktion auf die andauernden Missionierungsversuche der Kirche, sich zum Christentum zu bekehren; zitiert in: LAPIDE, ebd.
Zitat:
Rabbi Dr. Jacob Posen
orthodoxer Rabbiner, Israelitische Cultusgemeinde Zürich
Schweiz
„Man erkennt immer mehr, wie sehr das Christentum im Judentum beheimatet war und wie die Lehren Jesu unverständlich bleiben müssen, wenn man sie des historischen Hintergrundes beraubt. Denn, weit davon entfernt, ein Gegner der Pharisäer zu sein, war Jesus selbst ein Rabbi, dessen geistige Vorstelllungen mit der pharisäischen Richtung keineswegs als unvereinbar zu gelten haben.“ [89]
[89] POSEN, Jacob, „200 Jahre christlich-jüdischer Dialog“; zitiert in: LAPIDE, ebd.
Zitat:
Pinchas LAPIDE
Theologe und Religionswissenschaftler (1922-1997)
Österreich / Deutschland
„Ein kurzer Vergleich des Judenbildes der Kirchväter mit dem Jesusbild der tanaitischen Talmudväter ist aufschlussreich. Hier muss zunächst betont werden, dass der Talmud keinen einzigen Hinweis auf Jesus enthält, der sich mit Sicherheit auf den Gründer der Kirche bezieht. Jeschua war ein landläufiger Name, von dessen Trägern allein Flavius Josephus ein rundes Dutzend erwähnt. Nur die außer-kanonischen Baraitha und Tosephta enthalten eine Reihe von Anspielungen, die man mit Sicherheit auf den Nazarener beziehen kann. Was hauptsächlich zur Sprache kommt, sind seine pharisäische Weise der Schriftauslegung, die Tatsache, dass er Jünger hinterließ … Nicht gegen Jesus, sondern gegen die Christologie der Frühkirche war die spätere rabbinische Polemik gerichtet …“
„Jesus, der wie viele Pharisäer seiner Tage sowohl im Tempel als auch in den Synagogen seiner Heimat lehrte, sprach den Pharisäern, trotz tiefschürfender Meinungsverschiedenheiten, nie die Lehrgewalt ab, sondern predigte mit Nachdruck: ‚Alles, was sie (die Pharisäer) euch sagen, das tut und befolgt!’“
„Während eine Gruppe in ihm den von Mosche angekündigten Propheten (5. Mo. 18:15) sah, war er für andere ein vollkommener ‚Gerechter“ (Zaddik), der als einziger die ganze Torah zu halten vermochte … Gemeinsam ist all diesen Jesusbildern die Betonung seiner Torah-Frömmigkeit … und schließlich sein eindeutiges Menschentum, das der umstrittene ‚Menschensohn’-Titel betonen will, der ihn vor jedweder posthumen Verg-ttlichung bewahren sollte.“ [80]
„Alles, was Jesus auf Erden vollbrachte, sagte und unterließ, erschließt nur dann seinen vollen Sinn, wenn man es aus seinem profunden Judesein zu erfassen vermag. Einer, der gar nicht ‚Jesus’ hieß, sondern ‚Jeschua’, der kein Christ war, sondern ein Sohn Israels; der nicht sonntags zur Messe ging, sondern am Schabbat in die Synagoge; der nicht mit ‚Hochwürden’ noch als ‚Herr Pastor’ angesprochen wurde, sondern als ‚Rabbi’; der weder Ostern noch Weihnachten feierte, sondern Pessach, Schawuot und Jom Kippur – kurzum: ein Menschenbruder. … Jesu Menschsein, Judesein und Brudersein – hier liegt der dreifache Neubeginn für ein christlich-jüdisches Glaubensgespräch.“ [81]
„Jesus von Nazareth bleibt die Inkarnation jüdischer Hoffnungskraft und Glaubensstärke, eine Leuchte seines Volkes und ein Lehrer der Menschheit, dem unzählige Menschen ein besseres Leben, ein edleres Streben und ein getrösteteres Sterben zu verdanken haben.“ [82]
„(Ich bin) auf der Suche nach dem … ursprünglichen, vorkirchlichen Jesus, der in den Synagogen Galiläas predigt, der gut rabbinisch mit seinen Lehrkollegen stritt und debattierte, an den Petrus und die Seinen glauben konnten, als Künder, als Prophet und als begnadeter G-ttesmann. … Die einzig mögliche Schlussfolgerung, die sich aus all diesen neutestamentlichen Aussagen ergibt, ist, dass Jesus von Nazareth zeitlebens der Bibel seines Volkes treu und ergeben geblieben ist. … Der neutestamentliche Befund, der anscheinend das bestbewahrte Geheimnis der christlichen Bibelforschung ist, besagt, dass Jesus ein Torah-treuer Jude war und blieb, der nie und nirgend gegen die mosaische Gesetzgebung verstieß.“
„Woran können wir also heute noch die wahre Einstellung Jesu zur Lehre seiner Väter und zur Tradition seines Volkes ablesen? … Seine vertrautesten Jünger und Schüler, die jahrelang seine Lehre aus seinem Munde hörten, … wetteiferten in der Befolgung aller Gesetze und Gebote mit anderen Juden, zollten der Torah Ehrerbietung und verehrten den Tempel, wie alle frommen Söhne Israels ihrer Zeit, als zentrales G-tteshaus. … Eine offensichtliche Treue zur G-tteslehre vom Sinai kennzeichnete die ursprüngliche Jesusbewegung.“ [83]
„Was Jesus selbst betrifft, … so hat die neutestamentliche Forschung in ihrer überwiegenden Mehrheit ihn zum Überwinder zum Zerstörer, zum Abschaffer oder zum Sprenger des Gesetzes umfunktioniert – im krassen Gegensatz zu den ältesten Quellen der Evangelien, die einstimmig bezeugen, was ihm auch Paulus später bescheinigt: dass er nämlich ‚unter dem Gesetz geboren wurde’ (Gal. 3:15) und sein Leben lang ‚ein Diener der Beschneidung’ (Röm. 15:8) war – was auf hebräisch nichts anderes bedeutet als ein torahtreuer Jude. Den letzten Zweifel zerstreut er selbst: ‚Wahrlich ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von der Torah vergehen – bis alles erfüllt ist. Wer nur eines der geringsten Gebote auflöst und so die Menschen lehrt, wird der geringste heißen im Himmelreich. Wer sie aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Reich der Himmel’ (Mt. 5:18). Ich kenne kein klareres, flammenderes Bekenntnis zur Torah und ihrer ewigen Gültigkeit als diese Anfangsworte der Bergpredigt.“ [84]
[80] LAPIDE, ebd.
[81] LAPIDE, Pinchas, „Ist die Bibel richtig übersetzt?“, Gütersloh 1986
[82] LAPIDE, Pinchas, „Warum kommt er nicht?“, Gütersloh 1988
[83] LAPIDE, Pinchas, „Er predigte in ihren Synagogen“, Gütersloh 1980
[84] LAPIDE, Pinchas, „Mit einem Juden die Bibel lesen“, Stuttgart 1982