Lieber Raga,
ich gebe dir darin absolut Recht, dass sich besagter Autor viel Mühe gegeben und sich sehr viele Gedanken gemacht hatte. Nicht umsonst gilt das Lukasevangelium als historisch verlässlichstes unter diesem Schriftgut. Und man muß zugleich bedenken, dass es dieser Autor – laut eigenen Aussagen – nicht leicht hatte unter sehr viel Schriftgut auszuwählen was und wie und wo hingehört, also neu zu ordnen und zu sortieren. Auch wenn die sog. Synoptiker in sich ähnlich sind, es gibt untereinander ebenso viele Unterschiede und anders lautende Erzählstücke (Angefangen bei dem Auftreten Jesu, bis hin zum Lehrgut und den historischen Rahmenbedingungen). Und was ich an Lukas sehr schätze, er kennt zumindest noch Teilweise gesellschaftliche Gegebenheiten Israels zur Zeit Jesu, was alle anderen Evangelien deutlich vermissen lassen. Und das von einem syrischen Koniegrieche – schon erstaunlich. Ich persönlich schätze diese Schrift unter den Evangelientexten am meisten und messe ihm auch den größten Wert unter diesen Texten zu.
Dennoch bleibt der Selbstbeschriebene Sachverhalt, dass er es für gut gehalten hat, für einen Privatmann aufzuschreiben. Von Gott lese ich da nichts. Und das jeder Evangelist und auch die späteren Redakteure – die übrigens gerade an Lukas sehr gut nachweisbar sind – jeweils ihre ganz persönliche Sicht der Dinge darzustellen versuchen – was also sehr menschlich ist – ist ebenso ein Beleg, dass wir es hier mit menschlichen Schriftgut – übrigens inklusive erheblichen Grammatikalischen- und Rechtschreibfehlern – zutun haben. Dass hier eventuell ein göttlicher Gedanke bei den Autoren zum Tragen kommt mag durchaus sein, doch wer will dies bei anderem Schriftgut ausschließen?
Für mich bleibt eine historische Tatsache, dass es einst ein Evangelium gab, welches sich der Sprache Jesu bediente und offensichtlich von vielen Kirchengelehrten als echte Schrift anerkannt wurde und doch von der Kirche verworfen wurde. Und mehr noch ist es ein Fakt, es geschah auf Grund des jüdischen Inhaltes dieser Schriften. Das gibt mir zu denken und dies um so mehr, wenn wir uns die Rekonstruktionsarbeiten und Rückübersetzungen zu allen drei Synoptikern anschauen und die Wissenschaft zu einem einhelligen Ergebnis kommt, Jesus kann allein schon aus linguistischen Gründen so nicht gesprochen haben. Gerne kann ich dir einmal ein ganz praktisches Beispiel davon geben, um die Dimensionen aufzuzeigen, um die es hier geht.
Wie dem auch sei, es sei jedem seine „heilige Schrift“ gegönnt – ohne Zweifel - und man mag diese trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse und historischen Überlieferungsgutes für göttlich halten – man darf glauben was man möchte - , es macht die Sache für Andere nicht glaubwürdiger und genau hier setze ich an.
Absalom